Monkeewrench - 02 - Der Köder
bieten würden. Nicht nur hatte Grace den Vogel nicht sofort erschossen, nein, sie war bei seinem Gezwitscher nicht einmal zusammengezuckt.
Mein Gott, es stimmt. Es geht ihr langsam besser.
«Sieh nur durch die Zweige hinauf, Magozzi. Du kannst die Sterne sehen. Eine Woche weiter, und die Blätter haben sich entfaltet. Dann geht es nicht mehr.»
«Ich habe diesen Baum noch nie mit Blättern gesehen.»
Grace schwieg einen Augenblick. «Nein?»
«Nein, habe ich nicht. Es war schon fast Halloween, als ich zum ersten Mal hier draußen gesessen habe. Der arme alte Baum hatte noch ungefähr drei Blätter übrig, und die waren knallgelb.»
Sie gab einen leisen Ton von sich, der keine erkennbare Bedeutung hatte. «Das ist seltsam. Es kommt mir so vor, als würde ich dich schon viel länger kennen.»
Er war nicht so einfältig zu fragen, ob das ein gutes Zeichen war. Er griff nur nach der Flasche, die zwischen ihren Stühlen auf dem Boden stand, und füllte ihre Gläser. Er trank einen Schluck und lehnte sich dann auf seinem ureigenen und nagelneuen Deckchair zurück. Er spürte, wie das letzte Überbleibsel vom Stress des Tages im fröhlich vernachlässigten Gras auf Grace' Hinterhof versickerte.
Was für ein armseliger Kerl er doch war. Nach einer sechs Monate langen Beziehung zu einer Frau, die er noch nicht einmal geküsst hatte, saß er hier und war glücklicher als je zuvor in seinem Leben. Frustriert, klar, wegen des quälenden Mangels an körperlicher Nähe, aber nichtsdestoweniger glücklich – absolut. Er war eine Schande für alle italienischen Männer weltweit, aber er konnte nichts daran ändern. Hier bestand eine Verbindung, die so stark war, dass er es sich nicht zu erklären versuchte. Er hatte es bereits beim ersten Mal gespürt, als er mit dieser Frau und diesem Hund auf diesem Hof gesessen hatte – das Gefühl, daheim zu sein, sogar an diesem Ort, wo es stets Vorbehalte gab, die hinter dem Willkommen bestehen blieben, das ihm bereitet wurde.
Deswegen habe ich keine Möbel, Gino. Ich wohne dort nicht.
«Was denkst du?»
«Dass ich glücklich bin.» Es kam ihm gar nicht in den Sinn zu lügen.
«Das ist schön. Ich habe die Zeitungen gelesen und Nachrichten gesehen. Du hast wieder einen Fall zu lösen. Das ist dein Lebensinhalt, glaube ich.»
«Es hat aber nichts damit zu tun, dass ich in diesem Moment glücklich bin.»
«Ich weiß. Erzähl mir von dem Fall.»
«Eigentlich sind es zwei Fälle. Morey Gilbert, der Mann, dem die Gärtnerei gehörte, und Rose Kleber, aber wir haben nichts, was sie in Verbindung bringen könnte…»
«Was ist mit dem Mann, der an die Eisenbahnschienen gefesselt gefunden wurde?»
«Langer und McLaren arbeiten daran. Keine Verbindung zu unserem Fall. Wir haben ältere Juden, ziemlich saubere Morde. Ihrer war ein Lutheraner, den jemand genug gehasst hat, um ihn zu quälen.»
«Also schön, dann zwei. Und es gibt einen Haufen Detectives vom Morddezernat, die keine Morde zu bearbeiten haben, während du und Gino gleich zwei Fälle untersucht? Hört sich zumindest so an, als würde jemand an einen Zusammenhang glauben.»
Magozzi zuckte die Achseln. «Eine vage Verbindung. Wir überprüfen sie.»
«Wie vage?»
Er rutschte ein wenig in seinem Stuhl, fühlte sich plötzlich unbehaglich. «Das gehört zu den Informationen, die wir zurückhalten.»
«Komm schon, Magozzi. Du möchtest, dass ich das neue Programm mit den Namen füttere, stimmt's? Um zu sehen, ob etwas auftaucht?»
«Gino und ich dachten, es wäre vielleicht einen Versuch wert.»
«Na schön. Du hast gesehen, wie das Programm deine ungelösten Fälle bearbeitet hat. Du weißt, dass es Hunderte von Datenbeständen durchsieht und nach Verbindungen fahndet. Manche davon sind verdammt langsam. Ich brauche alle Informationen und Verknüpfungen, die ihr habt, um die Suchparameter einzugrenzen, weil es sonst Tage dauern könnte.»
Es war nicht so, dass er Grace misstraute. Neben Gino war sie der Mensch, dem er am meisten vertraute. Himmel, schließlich saß er unter einem Baum mit einem möglicherweise gefährlichen Vogel über sich, oder? Im Vertrauen darauf, dass Grace MacBride ihre Waffe ziehen und den Piepmatz erschießen würde, sollte er angreifen. Aber die Vorschriften des Police Department zu verletzen, ging ihm immer noch gegen den Strich, und Magozzi war, zu seinem ewigen Bedauern, kein Rebell.
«Ich habe nicht mehr ewig Zeit, Magozzi.» Sie verschränkte die Arme ineinander, wie immer voller
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