Monkeewrench 03 - Mortifer
würde kommen und sie erschießen.
Sie hatte fast genug beisammen, als eine große, schwielige Hand von hinten um sie herumlangte, sich über ihrem Mund schloss und sie nach hinten durch die Hecke zerrte.
KAPITEL 23
Grace und Sharon kauerten neben der Fliederhecke und warteten darauf, dass Annie endlich fertig wurde. Es schien eine Ewigkeit zu dauern.
Sharon zog nervös die Schultern zusammen. Sie spürte, wie die Haut auf ihrem Rücken sich zu bewegen schien. Sie erschauderte und zog unbewusst die Mundwinkel nach unten. Herrgott, so fühlte es sich also an, wenn einem etwas eine richtige Gänsehaut über den Rücken jagte. Es war diese elende, totenstille Ortschaft. Das leiseste Geräusch klang feindselig, beispielsweise Annie, die Blätter von der Hecke zupfte, um sie als Papier zu benutzen. Und gerade wenn man sich an das Geräusch gewöhnt hatte, verstummte es wieder, was den Eindruck von Feindseligkeit weiter verstärkte.
»Annie?« Grace beugte sich auf den Knien vor und spähte an der Hecke entlang zu der Stelle, wo Annie sich noch immer im Geäst versteckte.
Stille.
Sharon runzelte die Stirn und rückte ein wenig näher an Grace heran. Wäre sie ein Tier gewesen, hätte sie die Ohren jetzt nach vorn gedreht. »Annie?«, echote sie Grace’ geflüsterten Ruf.
Die Stille hielt an.
Grace hatte sich nicht bewegt. Sie atmete kaum, und ihre Augen waren unverwandt auf die Stelle in der Wand aus Blättern gerichtet, wo Annie noch einen Moment zuvor gehockt hatte – wo Annie mit absoluter Sicherheit immer noch sein musste, weil es gar keine andere Möglichkeit gab … »Annie!«
»Seid leise.«
Sharon zuckte zusammen, und ihr Unterkiefer fiel herab. Die Stimme hatte geklungen wie die von Gott – ein tiefer, dröhnender Bass, selbst beim Flüstern war das zu hören, und sie kam aus einem Busch – ausgerechnet. Gott ist in Wirklichkeit kein Busch, Sharon, Honey. Er hat nur diese Gestalt angenommen, als er zu Moses sprach.
Sie spürte, wie Grace’ Arm den ihren leicht berührte. Beide Frauen zitterten, und das Zittern übertrug sich von einem Körper auf den anderen, weil plötzlich jemand anderes hinzugekommen und bei Annie war.
Sharon klappte den Mund wieder zu und unterdrückte einen Schrei – den Schrei einer Frau, nicht den eines Cops. Aus den Augenwinkeln sah sie, wie Grace auf den Bauch sank, die Ellbogen in den Boden gestemmt, und die schwere Sig auf den Busch richtete, noch bevor sie selbst Zeit gehabt hatte, ihre Waffe auch nur halbwegs aus dem Halfter zu ziehen. Grace’ Gesicht war hart und angespannt, und ihre Augen waren so groß, dass es aussah, als würden sie ihr Gesicht auffressen.
Dann erklang das Flüstern erneut, definitiv männlich. »Wer seid ihr?«
Sharon schluckte. Es war einer von ihnen. Gütiger Gott im Himmel, einer der Soldaten hatte Annie!
Grace bewegte die Hand mit der Waffe leicht in die Richtung, aus der die Stimme gekommen war, ohne den Blick auch nur für den Bruchteil einer Sekunde von dem Lauf zu nehmen.
Tief aus dem Innern der Hecke drang ein leises Quieken, ganz Annie, und Grace wäre vor Erleichterung fast in Ohnmacht gefallen. Annie war dort drin, sie war lebendig, doch dann ertönten ein dumpfes Grunzen und raschelnde Geräusche und – o Gott! Er tat ihr weh! »Lass sie gehen!« Jetzt war es die Stimme von Grace, die dröhnte wie die Stimme Gottes.
»Still! Ich halte eurer Freundin eine Waffe an den Kopf! Wie viele seid ihr, und was macht ihr hier?«
Plötzlich gab es einen Tumult im Gebüsch – lautes Knacken von Ästen, ein tiefes Grunzen, dann ein hohes, pfeifendes Geräusch, dann wurden Äste auseinander gedrückt, und Annie kam wie ein übergroßes Strampelkind auf Händen und Füßen aus der Hecke, die Unterwäsche immer noch um die Knöchel hängend, das Gesicht zu einer entsetzten Fratze verzerrt. Sie kollidierte mit Grace und hätte sie beinahe unter sich begraben. »Dieser gottverdammte Hundesohn hat mich überrascht, während ich mich erleichtert habe, Herrgott noch mal! Was ist das für ein Kerl, der so etwas macht? Erschießt den Bastard!«
Sie zerrte heftig an ihrem Höschen und versuchte es im Knien hochzuziehen. »Ich hab ihm eins mit dem Ellbogen verpasst, aber er rührt sich noch. Los doch, erschießt ihn!«
»Nicht schießen«, sagte die Männerstimme schwach. »Bitte … bitte nicht schießen. Mein Gott, ich … ich bin verwundet …«
Grace kniff die Augen zusammen. Er log. Er war nicht verwundet. Sie hatte den Abzug noch gar
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