DAS GLÜCK IM AUGENWINKEL 2: Edition Nancy Salchow (German Edition)
Kapitel 8
Ich müsste mich schämen, weil ich mich auf einen anderen Mann eingelassen habe. Und doch gelingt es mir nicht, weil ich einfach spüre, wie unbedeutend die Begegnung und die, zumindest körperliche, Annäherung zu ihm ist. Es hat keinerlei Bedeutung. Verstehst du? Nichts und niemand hat die Macht, auch nur den Ansatz einer Bedeutung für mein Leben zu haben. Es scheint, als hätte sich mein Körper für einen Moment losgelöst, um nach Ablenkung zu suchen, die meine Seele doch niemals erreichen wird. Ein aussichtsloses Unterfangen und ein Versuch, der mir jetzt geradezu lächerlich erscheint. So lächerlich, dass ich dir gegenüber nicht mal ein schlechtes Gewissen habe.
Detlef heißt er. Er ist der Cousin von Claudia. Das macht das Ganze etwas anstrengend, weil sie mich immer wieder davon zu überzeugen versucht, dass mir die Ablenkung guttut, dass der Kontakt zu ihm genau das ist, was ich im Moment brauche. Aber so sehr sie sich auch bemüht, mich zu verstehen, sie wird niemals nachempfinden können, wie absurd jeder Versuch ist, dich auszublenden. Ich weiß, es muss weitergehen. ICH muss weitergehen. Und das tue ich auch. Irgendwie. Trotzdem weigere ich mich dagegen, dich zurückzulassen. Du bist noch immer da. In jedem Gedanken. In jeder Faser meines Körpers. Selbst als ich neben diesem Typen aufgewacht bin, warst du da. Für einen Moment hatte ich den Eindruck, dich auf der Bettkante sitzen zu sehen, während du dich über das Unterhemd dieses Typen amüsiertest.
Ich habe übrigens wieder angefangen, das Café Platinkirsche aufzusuchen. Entgegen aller Erwartungen hat es mich nicht trauriger gemacht, sondern mir ein seltsam vertrautes Gefühl gegeben. Dort hänge ich meinen Gedanken nach, schreibe dir oder beobachte einfach nur die Menschen, die das Café betreten. So wie wir früher. Und erstaunlicherweise hat das Beobachten fremder Leute bis heute nichts von seinem Reiz eingebüßt.
Ein paar Sekunden lang starrte er auf die Zeilen, während er darüber nachdachte, ob ihn eher die Tatsache, dass sie mit einem anderen Mann im Bett gelandet war, oder das Auftauchen eines neuen Anhaltspunktes beschäftigen sollte.
Das Verrückte war, dass er sie verstand. Die Idee, sich mit einem bedeutungslosen Abenteuer abzulenken, war sogar ihm schon in den Sinn gekommen, auch wenn er sich noch immer gegen die Vorstellung sträubte, mit einer anderen Frau intim zu werden. Sich ihr zu nähern, ohne ihr wirklich nahe zu sein.
Mit jedem neuen Eintrag und jedem neuen Inhalt, der auf Seite 139 sichtbar wurde, spürte er es deutlicher: Die Bindung, die noch immer zwischen Nita und ihrem Mann bestand, war von selber Natur wie das Band zwischen ihm und Emma. Patricks permanente Anwesenheit in ihren Gedanken war ebenso selbstverständlich wie Emmas Existenz in seinen. So selbstverständlich, dass jeder Versuch, dies zu leugnen, ins Nichts führte. Vielleicht waren es genau diese Selbstverständlichkeit und die Überflüssigkeit, sie infrage zu stellen, die ihn auf wundersame Weise zu Nita hinzogen. Der Wunsch, sie kennenzulernen, wurde mit jedem neuen Eintrag mächtiger.
Café Platinkirsche. Ein äußerst alberner Name, der ihm gleichzeitig Hoffnung machte. Wenn es tatsächlich ein Café gab, das sich so nannte, müsste es leicht sein, es mit Hilfe dieses sonderbaren Namens zu finden.
"Würdest du mir bitte noch mal erklären, warum genau ich so dringend einen Babysitter engagieren musste?" Marie stach mit der Kuchengabel in die Kirschtorte auf ihrem Teller und schob sich ein Stück in den Mund.
"Das habe ich dir doch schon erklärt", antwortete Simon. "Du musst mein Alibi spielen. In Gesellschaft beobachtet es sich eben unauffälliger."
"Und wen genau beobachten wir?"
"Im Moment halten wir Ausschau. Nach Nita."
"Das ist nicht dein Ernst, oder?" Marie legte die Gabel zur Seite. "Du willst mir doch nicht erzählen, dass du noch immer nach dieser Frau suchst? Simon, das ist nicht nur aussichtslos, sondern überaus beunruhigend. Du scheinst ja regelrecht besessen von ihr zu sein."
Simon lächelte. "Schwesterchen, du übertreibst maßlos. Was spricht dagegen, den vorhandenen Anhaltspunkten nachzugehen? Und überhaupt: Ein besseres Indiz als den Namen des Stammcafés kann es wohl kaum geben. Es wäre unverzeihlich, dieser Spur nicht nachzugehen."
"Und auf die Idee, dass diese Frau vielleicht gar nicht von dir gefunden werden möchte , bist du noch nicht gekommen, oder?"
"Marie, versteh doch." Er setzte seine
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