Monkeewrench 06 - Todesnaehe
tief ein. Magozzi sah ihn stirnrunzelnd an. «Was zum Geier machst du da?»
«Ich inhaliere Koffein.» Gino nahm noch einen tiefen Atemzug und öffnete die Augen wieder. «Irgendwie schwant mir, dass es sich dabei um mein einziges angenehmes Erlebnis am heutigen Tag handeln könnte. Außerdem kann ich ganz deutlich den unverkennbaren Geruch von einem dieser White-Mokka-Teile von Starbucks mit doppeltem Espresso ausmachen. Wer in dem Laden hier hat denn ein Gehalt, mit dem er sich so was leisten kann?»
«Mich würde eher interessieren, woher du dieses Starbucks-Gesöff für Weicheier kennst. Wir sind Männer. Wir sind Bullen. Wir trinken unseren Kaffee schwarz.»
«Dazu sage ich nur ja und amen. Aber wie du weißt, habe ich eine Teenie-Tochter, und die schleppt mir ständig diese Plörre ins Haus. Von ihrem eigenen Geld übrigens, nicht von meinem. Weißt du noch, früher, als die Mädels Parfüm benutzten? Ich sag dir, heutzutage interessiert sich kein Mensch mehr für Parfüm, sondern dafür, dass der Atem nach der richtigen Kaffeemischung riecht.»
Magozzi rümpfte die Nase und überlegte, ob Kaffee sich tatsächlich als neuer Lockstoff eignete. Er selbst hatte aus seiner Jugend nur die schweren, süßlichen Drogeriemarkt-Düfte in Erinnerung, in denen seine Highschool-Freundinnen badeten. Aber die Gesellschaft entwickelte sich ja nie so, wie man es erwartete, solange man jung war.
Das zweite Kennzeichen der City Hall war die hektische Betriebsamkeit, die dort herrschte. «Hektisch» war an diesem Morgen noch untertrieben: Man kam sich vor wie in einem dieser monströsen Wespennester, die manchmal über Nacht am Garagendach auftauchten. Hier schwirrten allerdings hauptsächlich zweibeinige Wespen herum. Polizisten, Journalisten, Kameramänner und -frauen, Bonzen aus allen Abteilungen und jede Menge Verwaltungspersonal, das man sonst nur selten zu Gesicht bekam, darunter auch der Bürgermeister und der Pressesprecher des MPD : Alle rannten sie mit gehetzter Miene und schnellen Schrittes durcheinander. Offenbar hatte das Medieninteresse an den diversen Morden und der Evakuierung in Little Mogadishu immer noch nicht nachgelassen, und jeder Politiker im ganzen Bundesstaat wollte einen Kommentar dazu abgeben, um endlich auch einmal im Fernsehen zu sein.
«Das wird wieder ein harter Vormittag», bemerkte Gino. «Lass uns sehen, dass wir an den Schreibtisch kommen, und dann bewegen wir uns da nicht mehr weg. Vielleicht kriegen wir dann heute sogar noch das eine oder andere Verbrechen aufgeklärt.»
«Hört sich gut an.» Das war ja im Grunde das Gute an der Arbeit im Morddezernat. Man hatte immer ein klar umrissenes Ziel vor Augen: den Mörder zu fassen. Sollte sich das FBI doch um die Terrorismussache und die Entführung kümmern; Gino und Magozzi mussten nur herausfinden, wer die Terroristen und die Entführer umgebracht hatte. Eine völlig eindeutige Sachlage.
Auf dem Weg in ihr Büro legten sie einen Boxenstopp bei Tommy Espinoza ein. Tommy war der hauseigene Computerfex – ein Drittel Schwede, ein Drittel Lateinamerikaner, ein Drittel Computerchip – und kümmerte sich für die Spurensicherung um alle IT -Belange. Manchmal ließ er sich noch von Monkeewrench beraten, doch nachdem er jetzt schon seit zwei Jahren mit ihnen arbeitete und von ihren Hinweisen profitierte, war er inzwischen selbst eine durchaus ernstzunehmende computertechnische Größe.
Tommy verließ sein Büro selten, und wenn, dann nur, um die verschiedenen Snack-Automaten auszuräubern, indem er mysteriöse Kärtchen in den Schlitz schob, der eigentlich für die Dollarscheine bestimmt war.
Als Magozzi und Gino an den Rahmen seiner offenen Bürotür klopften, hob er den Kopf. «Immer rein mit euch, Jungs.» Er warf ihnen aus dem Vorratsbehälter auf seinem Schreibtisch, einem vergilbten Halloween-Kürbis aus Plastik, je einen Schokoriegel zu. «Ihr könnt wohl beide einen Zuckerstoß brauchen, würde ich sagen. Euch stauchen sie ja gerade richtig schön zusammen.»
Gino machte sich sofort über seinen Mandelriegel her. «Ja, wir hatten schon mal bessere Wochen.»
«Hast du schon irgendwas auf dem Rechner der Entführer gefunden?», wollte Magozzi wissen.
Tommy nickte. «Ist aber alles auf Arabisch. Der Übersetzer sitzt dran.»
«Danke, Tommy. Halt uns auf dem Laufenden, ja?»
Als Magozzi und Gino sich dem Morddezernat näherten, saß hinter der Glasscheibe die nächste neue Empfangsdame und musterte sie von Kopf bis Fuß, als wären
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