Monster
habgieriger Mann gewesen, doch man konnte ihn allenfalls als fehlgeleitet bezeichnen.
Hier vor mir stand ein leibhaftiges Monster.
Dennoch, wenn man ihn sezierte, wäre an seinen Organen nichts festzustellen. In seinem Schädel würde eine graue Masse wabbeln, die sich äußerlich vom Hirn eines Heiligen nicht unterschied.
Ein Mensch. Immer waren es nur Menschen.
Marvelle Haas schloss ihre Augen wieder. Ein gepresstes Wimmern versuchte sich an dem roten Ball vorbei einen Weg ins Freie zu bahnen, doch alles, was nach draußen drang, war ein Mitleid erregendes Quieken. Milo kauerte sich hin, bereit zu feuern, doch Crimmins war immer noch zu dicht an der Angelschnur.
»Machen Sie die Augen auf, Mrs. Haas«, sagte Crimmins. »Ich will Ihre Augen, Süße, kommen Sie schon. Ich will Ihren Gesichtsausdruck in dem Moment, wo’s passiert.«
Sie quiekte.
Er sagte: »Jetzt stellen Sie sich doch nicht so unprofessionell an.« Er machte ein paar Schritte auf sie zu. Weg von der Angelschnur.
»Ich hab früher geangelt«, sagte er, während er ihr Haar zurechtzupfte und ihr Kleid weiter auseinander schob. Er ließ eine Hand unter den Stoff gleiten, rieb über ihre Haut und kniff sie. »Na, was haben wir denn da gefangen?«
Er war noch immer in Reichweite der Schnur.
»Damals, als ich geangelt habe, hieß es immer, wenn’s an der Leine ruckt, hat man was am Haken. Aber diesmal lassen wir was vom Haken und schmeißen’s auf den Müll.«
Sie wandte sich von ihm ab. Er machte einen Schritt nach links, stellte die Bildschärfe nach und filmte.
Einen Schritt weiter weg von der Angelschnur. Weit genug weg.
»Keine Bewegung, du Scheißkerl! Hände runter! Runter mit den Händen! Sofort!«
Derrick Crimmins erstarrte. Er drehte sich um. Der Ausdruck auf seinem Eulengesicht voller Erstaunen. Als hätte man ihn betrogen.
Dann ein Wutausbruch. »Das ist ein Privatdreh. Wo ist Ihr Besucherpass?«
»Runter mit der Hand, Crimmins. Jetzt gleich!«
»Oh«, sagte Crimmins. »Was haben Sie mir denn zu sagen, Sie Arschloch?«
»Runter damit, Crimmins! Ich sag’s nicht noch mal!«
Crimmins sagte: »Okay, Sie haben gewonnen.«
Er zuckte mit den Schultern. Verzog die lippenlosen Mundwinkel nach oben. »Na gut«, sagte er.
Er hechtete nach der Angelschnur.
Milo zerschoss ihm sein Lächeln.
41
Wie sich später herausstellte, war der Explorer schon seit zwei Monaten bei einem Revier in Hollywood als gestohlen registriert gewesen, nachdem er von einem Supermarktparkplatz an der Ecke Western und Sunset entwendet worden war. Im Kofferraum lagen fünf Paar Nummernschilder, drei gefälschte Zulassungen, zwei Videokameras, ein Dutzend Kassetten, Einwickelpapier von Schokoriegeln und Coladosen. Im Fach für den Reservereifen waren außerdem Barbiturate, Thorazin und Amphetamine versteckt.
Die Nachforschungen über Hedy Haupt ergaben, dass sie aus Yuma, Arizona, stammte. Der Vater unbekannt verzogen, die Mutter Sachbearbeiterin bei der Wohlfahrt, ein Bruder, der in Phoenix als Feuerwehrmann arbeitete. Hedy hatte während der neunten, zehnten und elften Klasse an der Yuma High School immer einen Notendurchschnitt von 2,0 gehabt und sowohl im Leichtathletik- wie im Basketballteam eine herausragende Rolle gespielt. Während der letzten Klasse war sie »in schlechte Gesellschaft geraten«, ihre Noten hatten sich drastisch verschlechtert, und sie hatte die Schule abgebrochen. Danach bei Burger King gejobbt und schließlich weggelaufen. Während der folgenden acht Jahre hatte ihre Mutter sie zweimal zu Gesicht bekommen, einmal zu Weihnachten vor fünf Jahren und dann während eines einwöchigen Besuchs im vergangenen Jahr, bei dem ihr Freund, ein junger Mann namens Griff, sie begleitet hatte.
»Ich hatte kein gutes Gefühl bei dem Kerl«, erzählte Mrs. Haupt Milo. »Er hat dauernd eine Kamera mit sich rumgeschleppt und andauernd Aufnahmen von uns gemacht. Außerdem ist er nur in Schwarz rumgelaufen, als wäre jemand gestorben.«
Milo und Mike Whitworth fanden die Videobänder, als sie sich durch die Berge von Diebesgut in der Garage am Orange Grove wühlten. Insgesamt sechzehn Kassetten in schwarzen Plastikhüllen, die unter Filmausrüstungen und -zubehör im Wert von mehreren tausend Dollar versteckt waren, mit dem Derrick Crimmins ohnehin nicht umgehen konnte.
Sechzehn Todesszenen.
Das erste Opfer, das wir wieder erkannten, war Richard Dada - Kassette Nummer vier. Jung und gut aussehend, redete er voller Enthusiasmus von seinen
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