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Monströse Welten 1: Gras

Monströse Welten 1: Gras

Titel: Monströse Welten 1: Gras Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sheri S. Tepper
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Sommer war es so heiß, daß man nur nachts reisen konnte; nachts fanden auch die Sommerbälle statt. Dennoch hatte ›Forschung‹ einen unguten Beigeschmack. Die Leute stellten Fragen. Die Leute verlangten Antworten auf ihre Fragen.
    »Wir werden nicht zulassen, daß sie hier für Unruhe sorgen«, versicherte Figor, wobei er indessen selbst nicht so recht an seine Worte glaubte.
    »Schließlich haben sie uns gesagt, weshalb sie hierher kommen wollen. Eine Seuche ist ausgebrochen, und Heiligkeit errichtet überall Missionen, um sie zu heilen.« Mit grimmiger Miene rieb er sich wieder den Arm.
    »Aber weshalb ausgerechnet hier?« platzte Gerold bon Laupmon heraus.
    »Wieso denn nicht hier? Wenn Heiligkeit überhaupt etwas von Gras weiß, dann nur wenig; es greift quasi nach einem Strohhalm.«
    Darüber dachten sie für eine Weile nach. Es stimmte, daß das geringe Wissen, das Heiligkeit über Gras besaß, nur von den Grünen Brüdern stammte. Fremde kamen und gingen in Commoner Town, aber ihre Aufenthaltserlaubnis galt lediglich bis zum Abflug des nächsten Schiffs, und es war ihnen nicht gestattet, das Grasland zu betreten. Semling hatte einmal versucht, eine Botschaft auf Gras zu etablieren, jedoch ohne Erfolg. Nun bestanden überhaupt keine diplomatischen Beziehungen mehr zu den ›anderen‹. Obwohl diese Bezeichnung oft auf Heiligkeit und Terra angewandt wurde, hatte sie auch noch eine umfassendere Bedeutung: Gras war Gras; und wer nicht auf Gras lebte, gehörte eben zu den ›anderen‹.
    Schließlich brach Eric das Schweigen. »Beim letzten Mal hat Heiligkeit etwas von jemandem erzählt, der krank hergekommen und geheilt wieder gegangen sei.« Unbeholfen stand er mit den Prothesen auf, wobei er in Gedanken mit seiner Behinderung haderte.
    »Quatsch«, erwiderte Gustave schroff. »Sie wußten nicht einmal, wer es war oder wann es geschehen war. Angeblich ein Besatzungsmitglied irgendeines Schiffs. Welches Schiff es war, wußten sie aber auch nicht. Es war nur ein Gerücht. Vielleicht existiert diese Seuche nicht einmal«, grummelte er. »Vielleicht ist es nur ein Vorwand, uns zu missionieren, weichzuklopfen und Gewebeproben für ihre verdammten Banken zu entnehmen.« Obwohl die bon Smaerloks schon vor langer Zeit nach Gras gekommen waren, legte ihre Familienchronik beredtes Zeugnis ab von der religiösen Tyrannei, vor der sie geflohen waren.
    »Nein«, sagte Figor. »Ich glaube schon, daß die Seuche existiert. Wir wissen das auch aus anderen Quellen. Und sie sind deshalb besorgt, was durchaus auch verständlich ist. Ihre bisherigen Bemühungen sind nicht von Erfolg gekrönt gewesen. Nun, sie werden die Seuche in den Griff bekommen. Gebt ihnen etwas Zeit. Auf jeden Fall muß man Heiligkeit zugute halten, daß es für alle Probleme eine Lösung findet. Warum sollte man ihnen also nicht erlauben, die Antwort woanders zu suchen, ohne daß sie uns behelligen müßten? Wir werden diesem Hierarchen sagen, daß wir uns nur ungern als Versuchsobjekte zur Verfügung stellen würden, blabla, und ein Recht auf kulturelle Integrität hätten – er wird das akzeptieren müssen, denn es fällt unter die Verträge, die Heiligkeit nach der Diaspora unterzeichnet hat – aber wir werden ihm auch sagen, daß wir verständige und gesprächsbereite Leute seien und daß er uns einen Botschafter schicken könne, um die Angelegenheit zu erörtern.« Figor machte eine ausladende Geste. »Dann halten wir ihn für ein paar Jahre hin, bis die Sache sich erledigt hat.«
    »Bis alle tot sind?« fragte Gerold bon Laupmon - Figor interpretierte die Frage so, daß Gerold damit alle Menschen gemeint hatte, die nicht auf Gras lebten.
    Figor seufzte. Man wußte bei Gerold nie, ob er die jeweilige Problematik auch verstand. »Nein. Bis sie ein Gegenmittel gefunden haben. Was auch der Fall sein wird.«
    Gustave schnaubte. »Ich werde das an die Geheiligten weiterleiten, Gerold. Sie sind kluge Leute.« Seinem Tonfall war anzumerken, daß er von der Klugheit dieser Leute nicht unbedingt überzeugt war.
    Dann legten sie eine Bedenkpause ein. »Es hat den Vorteil, daß wir einen sehr guten Eindruck machen«, erkannte Eric bon Haunser schließlich.
    Gustave schnaubte erneut. »Auf wen denn? Wer wollte sich anmaßen, ein Urteil über uns zu fällen? Wer hat das Recht dazu?« Er schlug auf die Armlehne des Rollstuhls, und nun stieg die Zornesröte in sein ohnehin schon grimmiges Gesicht. Seit dem Unfall, der seine Reiterkarriere abrupt beendet hatte,

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