Moorehawke 02 - Geisterpfade
schwerfällig und stand leicht schwankend vor Razi, der immer noch zu seinen Füßen hockte. »Gib sie mir«, bat er. »Ich gehe mich selbst waschen.«
Zu Wynters Verblüffung erhob Razi keine Einwände. Er stand auf, holte die Sachen aus seiner Satteltasche und reichte sie wortlos hinüber. Christopher legte seine Armbrust weg, nahm sich etwas heißes Wasser aus dem Kessel und trug die Kupferschüssel und das Waschzeug in den Wald.
»Christopher!«, rief Razi ihm nach. »Bleib doch lieber hier bei uns.«
Christopher drehte sich nicht um, sondern humpelte wortlos weiter. Die Verzagtheit, die sie in Razis Haltung entdeckte, beunruhigte und verwirrte Wynter.
»Razi«, begann sie. Er blickte sie von der Seite an, wie er es immer tat, wenn er über etwas nicht sprechen wollte. »Vielleicht braucht er einfach ein wenig Zeit für sich allein.« Immer noch betrachtete er sie nur aus dem Augenwinkel. Unter dem übel riechenden Umhang drehte sie leicht den Kopf, wünschte, er würde sie richtig ansehen. »Vielleicht schämt er sich, Razi.«
Bei diesen Worten atmete Razi hörbar ein und starrte hilflos in den Himmel. Seine Augen schimmerten.
»Vielleicht«, sprach sie weiter, »schämt er sich, weil diese Männer seine Armreife genommen haben. Sie haben ihm so
viel bedeutet, und es muss schrecklich für Christopher sein, dass er nicht verhindern konnte, dass sie abermals gestohlen wurden. Vielleicht ist es, weil sie ihn nackt ausgezogen und in der Dunkelheit gejagt haben. Christopher wirkt immer so stolz, möglicherweise denkt er, dass er in deinen Augen kein richtiger Mann mehr ist, weil er diese Dinge zugelassen hat.«
Nun sah Razi sie mit unendlichem Kummer an. Er schüttelte den Kopf und presste sich die Hand auf die Augen.
»Was denn?« Wynter verstand überhaupt nichts mehr, sie war vollkommen verstört. »Was ist los, Razi?« Das Tuch auf ihrem Rücken kühlte langsam aus, und sie musste die Zähne aufeinanderbeißen und die Fäuste ballen, als der Schmerz wieder zunahm. Um nicht laut aufzustöhnen, drückte sie die Stirn auf die Arme.
Ein kurzes Rascheln, und Razi setzte sich neben sie. Wieder spürte sie das tröstende Streicheln seiner Hand auf ihrem Haar. »Wie geht es deinem Kopf?«, flüsterte er. »Gestern Abend wirktest du gründlich durcheinander. Du musst irrsinniges Kopfweh gehabt haben.«
Sie lachte. »Inzwischen hat sich mein Rücken durchgesetzt.«
»Auf der Stirn hast du eine dicke Beule.«
»Wie hübsch.« Seine Liebkosung machte sie schläfrig, die Augen fielen ihr zu. »Ich muss ja göttlich aussehen, wie eine Prinzessin in einem Gemälde. Kein Wunder, dass Christopher mir verfallen ist.« Das Feuer knisterte im Hintergrund, und Wynter wusste, dass Razi in den Wald spähte und sich Sorgen machte, weil Christopher nicht zu sehen war. »Das Feuer ist nicht klug, Razi«, wiederholte sie. »Es wird sie zu uns locken.«
»Nein«, gab er ruhig zurück. »Sie werden heute nicht zurückkommen.
Sie sind jetzt müde und satt. Schwer von der Wandlung, die immer vor… vorher passiert.«
Mit einem Ruck war Wynter wieder wach, alles fügte sich plötzlich zusammen. »Es waren die Loup-Garous?«, fragte sie, erschrocken, weil sie den Zusammenhang nicht schon früher hergestellt hatte, und entsetzt, weil sie es tatsächlich gewesen waren. Hatten sie Christopher erkannt? Hatten sie ihm all das vorsätzlich angetan, um ihn zu beschämen? Weil sie wussten, wer er war? »O Razi, wussten sie, dass er es war?«
Er brauchte einen Moment, um ihr zu folgen, dann aber schüttelte er den Kopf. »Nein, Wyn, in diesem Zustand kennen sie kaum ihren eigenen Namen. Sie wissen nur, was sie haben wollen und …« Er erschauerte, erneut hatte er Tränen in den Augen und musste heftig schlucken.
»Diese armen Mädchen«, sagte Wynter. Razis Hand umfasste kurz ihren Nacken, dann strich er ihr wieder übers Haar. Sie drückte ihre Stirn fest in die Arme, versuchte, das Bild des kleinen Mädchens zu verdrängen, wie es vor ihr in die Finsternis verschwand.
»Das Leben war so viel einfacher, als ihr noch kleine Kinder wart, du und Albi«, wisperte Razi wie aus weiter Ferne.
Wynter lachte bitter auf. »Ach ja? In wessen glücklichem Traum denn?«
»Doch, wirklich, Wynter. Es war so viel einfacher.«
Sie öffnete die Augen, konnte sich aber nicht überwinden, Razi anzusehen, da seine Stimme tränenerstickt klang.
»Wyn? Ich glaube nicht, dass ich genug Kraft habe, um das hier zu Ende zu bringen. Zu was für einem Menschen
Weitere Kostenlose Bücher