MoR 05 - Rubikon
laufen. Wie sehr er doch beides verabscheute, das Laufen und ein System, in dem er mehr für seine verheißungsvolle Karriere tat, wenn er einem Soldaten im Feld diente, als wenn er zu Fuß oder per Sänfte über das Forum Romanum flanierte. Er wagte nicht einmal, die Weiterbeförderung der Schriftrolle an einen Untergebenen zu delegieren. Caesar bestand so pedantisch genau darauf, daß man jede Lappalie persönlich erledigte, wenn auch nur die geringste Chance bestand, daß man sonst etwas versaute, wie die Soldaten in ihrer primitiven Art sagten.
Aber wie lästig es war, wie lästig! Trebatius wollte schon wieder umkehren, doch dann steckte er die linke Hand in die Falten seiner über die linke Schulter drapierten Toga, hob gewichtig das Kinn und watschelte weiter. Da vorn lehnte, die Zügel eines geduldigen Pferdes um den Ellbogen geschlungen, Titus Labienus an der Wand seines Hauses und sprach mit einem hünenhaften, mit Gold und grellbunten Kleidern behängten Gallier. Mit Litaviccus, dem kürzlich ernannten Anführer der Reiterei der Haeduer. Die beiden bejammerten wahrscheinlich immer noch das Schicksal von Litaviccus’ Vorgänger, der lieber geflohen war, als Caesar über das wogende Meer nach Britannien zu folgen. Und dafür dann von Titus Labienus erschlagen worden war. Ein bizarrer, fremdländischer Name — wie hatte er gleich geheißen? Dumnorix. Dumnorix... Konnte es sein, daß dieser Name mit einem Skandal um Caesar und eine Frau zu tun hatte? Leider war Gaius Trebatius noch nicht lange genug in Gallien, um über alles genau informiert zu sein.
Bezeichnend für Labienus, daß er lieber mit einem Gallier sprach. Er war ein Barbar durch und durch! Kein Römer, o nein. Dichte, schwarze Locken, dunkle, fettige Haut mit großen Poren, kalt und böse funkelnde schwarze Augen und eine semitische Nase, krumm und mit Nasenlöchern, die aussahen, als hätte man sie mit dem Messer vergrößert. Ein Adler, jawohl, Labienus war ein Adler. Er gehörte unter die Standarten.
»Ein wenig Fett abschwitzen, Trebatius?« fragte der barbarische Römer und entblößte grinsend Zähne so groß wie die eines Pferdes.
»Ich gehe zum Hafen«, erwiderte Trebatius würdevoll.
»Warum?«
Am liebsten hätte Trebatius Labienus gesagt, daß ihn das überhaupt nichts angehe. Doch Labienus war der Stellvertreter des abwesenden Feldherrn, also lächelte er säuerlich und sagte: »Ich hoffe, das Nagelboot ist noch nicht abgefahren. Ein Brief für Caesar.«
»Von wem?«
Der Gallier Litaviccus folgte dem Gespräch mit aufmerksamen Augen. Also verstand er Latein. Nicht ungewöhnlich bei den Haeduern, sie standen schon seit Generationen unter der Herrschaft Roms.
»Gnaeus Pompeius Magnus.«
»Aha!« Labienus räusperte sich und spuckte aus, eine Angewohnheit, die er in zu vielen Jahren freundschaftlichen Umgangs mit den Galliern angenommen hatte. Abscheulich.
Doch hatte Labienus, sobald Pompeius’ Name fiel, das Interesse verloren und wandte sich mit einem Schulterzucken wieder Litaviccus zu. Ach ja, richtig! Labienus hatte eine Affäre mit Pompeius’ damaliger Frau Mucia Tertia gehabt, zumindest hatte Cicero das kichernd versichert. Nach der Scheidung hatte Mucia dann doch nicht Labienus geheiratet. Nicht gut genug. Statt dessen hatte sie den jungen Scaurus genommen. Zumindest war er damals jung gewesen.
Schnaufend marschierte Trebatius weiter, bis er durch das Tor am Ende der Via Principalis das Dorf Portus Itius betrat. Ein großer Name für ein Fischerdorf. Wie hieß es eigentlich bei den Morinern, den Galliern, auf deren Gebiet es lag? Caesar hatte es einfach als »Ende der Reise« in die Bücher der Armee eingetragen — oder »Anfang der Reise«, wie man wollte.
Der Schweiß floß Trebatius in Strömen den Nacken hinunter und tränkte die feine Wolle seiner Tunika. Man hatte ihm gesagt, im jenseitigen Gallien sei das Wetter mild und angenehm kühl, aber nicht in diesem Jahr! Drückend heiß war es und schwül, und ganz Portus Itius stank nach Fisch. Und nach Galliern. Er haßte sie, und er haßte seine Arbeit. Und wenn er vielleicht auch nicht Caesar haßte, so doch beinahe Cicero, der sich dafür eingesetzt hatte, seinem lieben Freund Gaius Trebatius Testa die allseits heißbegehrte Stelle zu verschaffen.
Portus Itius hatte nichts gemein mit den malerischen kleinen Fischerdörfern an der Küste des tyrrhenischen Meeres mit ihren von Weinlaub beschatteten Schenken, Dörfern, in denen man das Gefühl hatte, daß es sie
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