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Die Leichenuhr

Die Leichenuhr

Titel: Die Leichenuhr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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Noch immer dachte Jules Vangard an das Mädchen, dessen Stimme ihn in den Träumen der letzten Nacht regelrecht verfolgt hatte. In Gedanken streichelte er ihre Schenkel, ihre Brüste und ihre Hüften.
    »Tu es, nimm mich, ich will es doch!«
    Lizzys Liebesgeflüster war ein Ohrenschmaus. Die Erinnerung glich einem Ballon, der immer mehr aufgeblasen wurde und sich zu einem großen Mond verformte. Er würde sicherlich bald platzen, nur wollte es Jules nicht so weit kommen lassen. Er mußte Lizzy Lamotte einfach wiedersehen. Er wußte nicht viel von ihr, nur ihren Namen und daß sie Artistin in einem kleinen Wanderzirkus war. Dabei ging er davon aus, daß nicht einmal ihr Name echt war. Er hörte sich nach einem Pseudonym an. Doch echt war ihr Körper gewesen. Er sehnte sich nach ihm.
    Vangard stellte seinen kleinen Polo am Rand des Platzes ab, wo die drei Buchen standen, die dem Fahrzeug einigermaßen Schutz boten. Von dieser Stelle aus konnte er auf den Platz sehen, wo der Zirkus sein Winterquartier bezogen hatte. Der Flecken Erde war ihm von der Stadt zur Verfügung gestellt worden. Das Vieh überwinterte in den Ställen, und so konnte die Stadt wenigstens einen kleinen Obulus an Miete kassieren. Zirkus war eigentlich nicht der richtige Ausdruck für ein Unternehmen wie dieses. Natürlich wurde ein Zelt aufgebaut, unter dessen Kuppel Artisten ihr Können zeigten und Dompteure Tieren ihren Willen aufzwangen. Clowns gab es ebenfalls, aber alles andere paßte nicht zu einem Zirkus, eher zu einer Kirmes.
    Der Zirkus ›Baresi‹ reiste noch mit zwei Karussells. Eines war für Kinder, ein richtig altes Kinderkarussel mit hölzernen Pferden, kleinen Autos, Drehsitzen, Schafen und auch Kühen. Der Autoskooter, die zweite Attraktion, wurde mehr von den Jugendlichen frequentiert. Beide Anlagen waren im Winter nicht eingemottet worden. An freundlichen Sonntagen hatten sie geöffnet, das hatte Tonio Baresi höchstpersönlich versprochen. Jeder Benutzer brauchte auch nur den halben Preis zu zahlen.
    Lizzy Lamotte hatte Jules in den beiden Nächten, die sie miteinander verbracht hatten, viel erzählt. Er erinnerte sich auch an ihr Liebesgeflüster und an eine Warnung.
    »Komm nie nach Mitternacht!« hatte sie ihn eindringlich gebeten.
    Erst hatte er über die Warnung gelacht. Dann aber war ihm aufgefallen, daß Lizzy ihn beide Male vor Mitternacht weggeschickt hatte. Bevor ihm das ein drittes Mal passierte, wollte er der Sache auf den Grund gehen.
    Er würde Lizzy fragen.
    Jules wußte, daß sie in einem der hellen Wohnwagen ihr Zuhause hatte.
    Geschichte mal ganz anders, mit diesem Thema lockte Tonio Baresi seine Kunden an. Er hatte auch von einer geheimnisvollen Uhr gesprochen, die die Zeit zurückdrehte und dem zahlenden Zuschauer einen Blick in die Vergangenheit gewähren konnte.
    Jules Vangard hatte sich darum nicht gekümmert. Er hatte es wie nebenbei erfahren. Es war auch nicht wichtig, er wollte einzig und allein zu Lizzy.
    Er hatte sich auch schon seine Chancen ausgerechnet. In diesem Winter würde er sie öfter besuchen. Was aber war, wenn das Frühjahr begann und sich der Zirkus auf die Reise machte? Sollte er dann mitziehen, oder würde ihre Liebe dann schon zu Ende sein? Er hatte oft darüber nachgedacht – auch über die Warnung, sie nie nach Mitternacht zu besuchen.
    Was soll der Mist? Ich will sie vor Mitternacht und nach Mitternacht haben. Mit seinen siebenundzwanzig Lenzen stand er voll im Saft, wie er immer sagte, und er war es auch irgendwie leid, über die Dörfer zu fahren, sich in beschissenen Discos herumzutreiben und darauf zu warten, irgendwelche Landschönheiten aufzureißen.
    Da war Lizzy anders.
    Verdammt, die hätte ihn schon um den Verstand bringen können. Wie sie sich unter ihm bewegt hatte! Wie eine Schlange war sie gewesen.
    Sie hatte Dinge mit ihm angestellt, wie er sie noch nie zuvor erlebt hatte.
    Wächter oder Aufpasser waren zwar nicht aufgestellt worden, wie er von Lizzy wußte, aber Jules war vorsichtig. Er hielt die Augen weit offen, als er sich dem Ziel seiner Sehnsucht näherte.
    Die Dunkelheit war wie ein Schwamm, jedenfalls kam sie dem jungen Mann so vor. Es war feucht, leicht neblig. Der Rasen war weich, er schien zu dampfen, als wäre unter ihm ein Riese versteckt, der in bestimmten Intervallen immer wieder seinen Atem ausstieß.
    Das Gras war sehr kurz. Schafe und auch Rinder hatten es abgerupft. Im Winter wuchs es nur langsam. Zahlreiche braune Flecken unterbrachen die grüne

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