Morag und der magische Kristall
damit den sich nähernden Jermy; Teller, Gabeln, Gläser, Tassen und Untertassen. Jermy wehrte ihre Geschosse eins nach dem anderen mit seinen großen Händen ab und kam immer näher. Binnen Sekunden hatte er Morag erreicht und hielt ihre Arme fest. Sie mühte sich, sich zu befreien, aber er war zu stark für sie. Sie versuchte, ihn zu treten, doch er wich aus, ohne sie loszulassen, bis sie erschöpft war und sich nicht mehr wehren konnte. Dann legte er seine Arme um sie und drückte sie sich an die Brust. Sie saß in der Falle.
»Das reicht«, knurrte er ihr ins Ohr. »Ich hab dich! Jetzt bist du dran! In den Keller mit dir, zu den Ratten und den Geistern!«
»Nein! NEIN!«, kreischte Morag, während er sie zur Tür zerrte. »Es tut mir leid! Es tut mir leid!« Sie fürchtete nichts mehr als den Keller. Er war dunkel, er war feucht, er war wirklich unheimlich und es gab nur einen Weg hinein und wieder hinaus – durch die Tür in der Küche. Sie war davon überzeugt, dass es dort spukte, da aus dem Keller ständig eigenartige Geräusche drangen.
Sobald er sie gepackt hatte, war es für Jermy nur allzu leicht, Morag zur Kellertür zu zerren. Obwohl er eine dünne Bohnenstange von einem Mann war, war er ziemlich stark und hatte keine Mühe, sie hochzuheben.
»Nein! Nein!«, schrie Morag. »Sperr mich nicht dort ein! Bitte, Jermy, ich werde mich benehmen, ich verspreche es.«
»Mach die Tür auf, Moira«, befahl er, ohne auf Morags jämmerliches Flehen oder ihre Versuche, ihn zu treten, zu achten. »Sie bleibt dort, bis sie sich beruhigt.«
»Geschieht ihr recht«, sagte Moira, während sie eilig aufstand und die Kellertür aufschloss. Sie hielt sie offen, damit Jermy das zappelnde Kind hindurchstoßen konnte. Morag stolperte und fiel auf dem Treppenabsatz auf die Knie – der Treppenabsatz war das Einzige, das sie daran hinderte, die steilen Stufen hinab in die tiefe Höhle des Kellers zu stürzen. Als sie wieder auf die Beine kam, wurde die Tür hinter ihr geschlossen, und sie war in der kalten Dunkelheit gefangen. Sie hämmerte mit beiden Fäusten gegen das harte Holz und rüttelte lautstark an der Klinke.
»Lasst mich raus!«, rief sie. »Lasst mich raus!«
Sie hielt inne, um auf Bewegung von draußen zu lauschen.
»Halt den Mund! Niemand wird dich rauslassen!«, erklang Jermys Stimme gedämpft hinter der Tür.
»Bitte, lasst mich raus!«, flehte Morag. »Ich werde auch brav sein, versprochen!«
Sie hörte sie lachen.
»Dafür ist es jetzt zu spät!«, höhnte Moira.
»Lasst mich raus!«, rief Morag abermals und begann, noch lauter gegen die Tür zu hämmern. »Lasst mich raus!«
Aber ihre Rufe stießen auf taube Ohren. Entweder ignorierten Jermy und Moira sie, oder die beiden waren nicht länger in der Küche, da sie nicht auf ihre Schreie antworteten. Morag schlug weiter auf die Tür ein, bis sie so erschöpft war, dass sie aufhören musste. Ihre Arme schmerzten, und der Hals tat ihr weh, als sie sich in der Dunkelheit zu Boden sinken ließ. Morag begriff, dass es keinen Sinn hatte. Sie würden sie nicht herauslassen, zumindest jetzt noch nicht. Sie lehnte sich an die Wand und sah sich furchtsam um.
Mittlerweile hatten sich ihre Augen an die Dunkelheit gewöhnt, und sie konnte die beiden oberen Stufen ausmachen, die in den Keller hinabführten. Ein eiskalter Luftzug wehte die Treppe herauf und strich ihr übers Gesicht. In der Tiefe unter ihr war ein schwaches Rascheln zu hören.
Allein in der Dunkelheit, wimmerte Morag leise vor sich hin und fragte sich, was dort unten auf sie warten mochte.
Kapitel 2
Morag wusste nicht, wie viel Zeit vergangen und wann sie eingeschlafen war, als sie frierend und mit steifen Gliedern aufwachte. Verwirrt sah sie sich um und erinnerte sich plötzlich daran, wo sie war und wie sie dort hingekommen war. Wieder wurde sie von Furcht ergriffen und ihr Herzschlag beschleunigte sich. Sie bewegte sich leicht, um die Taubheit aus ihrem Körper zu vertreiben, und spürte etwas Hartes unter einem ihrer Beine. Vorsichtig tastete sie mit der Hand danach, voller Angst, dass sie eine Ratte oder irgendein Krabbeltier berühren könnte. Dann schlossen sich ihre Finger um einen langen, schweren Gegenstand. Sie packte ihn. Er fühlte sich an wie eine Taschenlampe. Sie tastete den Gegenstand ab. Es war tatsächlich eine Taschenlampe. Sie hob sie hoch und fand den Schalter. Erfüllt von Hoffnung und mit unbeholfenen, vor Kälte starren Fingern knipste sie sie an. Die
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