Morbus Dei: Die Ankunft: Roman (German Edition)
über unseren Pfarrer!“, fuhr Elisabeth sie an.
Die wurde rot. „Entschuldigung. Ihr habt Recht.“
„Kennst die Regeln überhaupt?“ Albin stieß Johann in die Seite.
„Glaub schon … wer mit den Stöcken am nächsten beim Pflock ist, hat gewonnen, oder?“
„Genau. Zwei Gruppen spielen gegeneinander, nach jeder Runde wird ausgezählt, wer am nächsten ist. Die Gewinner bekommen – na ja, früher haben wir um Geld gespielt, aber der Pfarrer sieht das nicht mehr so gern. Jetzt bekommen die Sieger halt eine Freirunde in der Schenke, aber mit allem, was sie wollen. Und weil der Riegler meistens gewinnt, ist der Buchmüller nach so einem Abend dann leer gefressen und g’soffen.“
Die anderen Knechte lachten.
„Der Riegler ist so gut?“, fragte Johann und blickte zum Dorfvorsteher.
„Der beste …“
Endlich kam Kajetan Bichter zur Wiese geeilt. Er nickte allen kurz zu, dann stellte er sich vor die Eisbahn, sodass ihn jeder sehen konnte.
Die Stimmen wurden leiser, dann war es ruhig.
Der Pfarrer wirkte fahrig, er hob die Hand. „Wie alle Jahre erkläre ich das Eisschießen für eröffnet. Spielt ehrlich vor Gott und der Jungfrau Maria. Amen!“
„Amen!“, antworteten die Dorfbewohner einstimmig, viele etwas spöttisch, wie es Johann vorkam. Allzu viel Respekt schien Kajetan Bichter in seiner Gemeinde nicht zu genießen, aber vielleicht täuschte Johann sich auch.
„Also gut, dann wollen wir beginnen.“ Benedikt Riegler klatschte in die Hände. „Der Karrer Franz wählt die einen, ich die anderen. Kannst wie immer anfangen, Franz, nutzt dir eh nichts.“ Ein dreistes Gewinnerlächeln stand Riegler im Gesicht, als er diese Worte sprach.
„Hochmut kommt vor dem Fall“, mahnte der Pfarrer, aber er sah nicht einmal her, sondern blickte gedankenverloren in die Wälder hinauf.
„Da mögt Ihr wohl Recht haben. Also Franz – was ist jetzt?“
„Ich nehm die gleichen wie immer. Albin, Ignaz, Martin –“ er deutete noch auf drei andere Knechte.
Albin blickte von Franz Karrer zu Johann und wieder zurück. Dann grinste er. „Franz, mir ist heute nicht so gut. Kann der Johann statt mir spielen?“
„Willst lieber gleich Wein saufen, was? Aber mir soll’s recht sein.“ Franz musterte Johann. „Kannst denn spielen?“
„Zu mir hat er gesagt, er kann’s“, fiel Albin Johann ins Wort, der ihn jetzt wütend anblickte.
„Na dann, her zu mir.“ Franz winkte Johann achselzuckend zu sich.
Der zögerte, alle schauten ihn an.
Keine Wahl. Aber handle weise
.
Johann nickte Franz Karrer zu und trat zu ihm und den anderen Knechten. Er sah Albin, der bereits einen Becher Wein in der Hand hatte – Bier wurde erst nach dem Spiel ausgeschenkt, weil dem Gewinner das erste Bier zustand – und ihm frech zuprostete. Jetzt zeig, was du kannst, schien diese Geste zu besagen.
Das würde er. Und nach dem Spiel würde er sich den Burschen vorknöpfen, dachte er grimmig.
Auch Benedikt Riegler hatte seine Männer schnell zusammengestellt. Dann begann das Spiel.
Alle schossen nacheinander ihren Stock, so nahe an den Pflock, wie sie konnten. Benedikt Riegler ließ seinen Stock so gekonnt über den eisharten Schnee schlittern, dass er genau beim Pflock zu liegen kam. Riegler lächelte zufrieden, dann wandte er sich an Johann, dessen Schuss noch ausstand.
„Bitte –
Herr
List.“
Johann ignorierte den Spott in der Stimme des Dorfvorstehers. Er betrachtete den Stock in der Hand. Prächtig gearbeitet, reich verziert und noch dazu perfekt ausbalanciert. Hier war ein Könner am Werk gewesen.
Das würde es leichter machen.
Er wog den Stock kurz in seiner Hand, schwang ihn dann locker probeweise vor und zurück.
„Wird das heut noch was?“, fragte Benedikt Riegler gelangweilt. Ein paar der Männer, die neben ihm standen, lachten.
Johann schwang den Stock nach hinten, dann nahm er Anlauf und schoss.
Der Stock glitt über den Boden, speckte Rieglers Stock weg und blieb so nahe beim Pflock liegen, dass er ihn berührte.
Niemand sprach ein Wort. Dann hörte man die giftige Stimme der alten Salzmüller. „Was wirst denn so rot im G’sicht, Riegler? Hast Angst, dass du verlierst?“
Alle lachten. Riegler blickte Johann misstrauisch an, der zuckte mit den Schultern. „Glückstreffer“, sagte er beiläufig.
„Natürlich …“, entgegnete Riegler. „Hast schon öfters gespielt?
„Ein-, zweimal zugeschaut.“
„So so … wollen wir hoffen, dass du nicht dreimal
zugeschaut
hast.“ Er drehte sich
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