Morbus Dei: Die Ankunft: Roman (German Edition)
ernst.
„Wie du meinst“, antwortete Albin achselzuckend und folgte den anderen.
Elisabeth stand vom Grab auf und bekreuzigte sich. Johann sah sich um – sie waren allein. Er zögerte, dann nahm er sich ein Herz und trat zu den beiden Frauen.
„Elisabeth …“
„Ja?“ Sie drehte sich um.
„Ich wollte dir für alles danken, was du für mich getan hast. Als ich krank war und –“
„Das hätt doch ein jeder getan“, sagte Elisabeth kühl und blickte dann nervös in Richtung Schenke, in die ihr Vater gegangen war.
„Ja, aber du –“
„Ich hab jetzt keine Zeit, Johann. Wir müssen das Essen vorbereiten“, unterbrach ihn Elisabeth, nicht böse, aber doch bestimmt. Mit Sophie verließ sie den Friedhof. Sophie drehte sich noch einmal kurz um und warf Johann ein Lächeln zu, aber der war mit seinen Gedanken bereits woanders.
Was sollte er von Elisabeths Reaktion halten? Ihre Hingabe schien einer Notwendigkeit gewichen, ihre Wärme erkaltet. Johann war sich nicht bewusst, etwas Unredliches gesagt oder getan zu haben – was zugegebenermaßen bei Frauenzimmern nicht viel heißen mochte. Launisch wie Aprilwetter, hatte es ein Kamerad genannt, und nach der Szene vorhin war Johann geneigt, dem Manne zuzustimmen.
Mittlerweile war Johann allein zwischen den verschneiten Gräbern, Stille herrschte auf dem alten Friedhof.
Plötzlich hörte er knarrende Schritte hinter sich. Rasch drehte er sich um: Die alte Frau, die damals in der Schenke gewesen war, als er sein Hemd ausziehen musste, stand vor ihm. Maria Salzmüller.
Die Alte maß ihn schweigend. Johann fühlte sich unter ihrem durchbohrenden Blick unwohl.
Dann machte sie ein Kreuzzeichen, küsste Mittel- und Zeigefinger, streckte sie erst in Richtung der Wälder, die das Dorf umgaben, und zuletzt gegen Johann.
Johann kannte das Zeichen. Es war
mala fide
– das alte Zeichen gegen das Böse.
Die Frau spuckte ihm vor die Füße und verließ den Friedhof mit schlurfenden Schritten.
Alte Vettel, dachte Johann, während er sich am Kopf kratzte. Abergläubisch bis ins Mark. Das Letzte, was er jetzt brauchte, war eine religiöse Eiferin, die das Dorf gegen ihn aufhetzte.
Beunruhigt ging Johann zur Schenke.
XII
„Schaut gut aus, das Wetter.“ Albin blickte erfreut aus dem Stubenfenster. „Dann können wir heute eisschießen, wie ausgemacht!“
„Hm …“, brummte Jakob Karrer unbestimmt, „wird wohl sein. Elisabeth, richt alles her. Aber nicht mehr als zwei Laib und eine Schwarte. Ein paar Äpfel kannst auch noch drauftun.“
„Ja, Vater.“ Elisabeth ging aus der Stube.
Karrer drehte sich zu Albin um. „Albin, ihr geht noch einmal in den Stall, und dann ab zum Schießen.“
„Sollen wir nicht den anderen zuerst auf der Wiese helfen?“
„Ihr tut, was ich euch gesagt hab. Und zwar schnell“, herrschte ihn Karrer an.
„Ist gut. Komm, Johann“, antwortete Albin hastig und gab Johann einen Wink. Die beiden verließen die Stube.
Als sie nach Mittag zur Wiese hinter dem Dorf kamen, bot sich Johann ein prächtiger Anblick. Die Wiese war geräumt worden und spiegelglatt, der brettharte Schnee glitzerte vor dem eisblauen Himmel. In die Mitte der ebenen Fläche war ein Pflock in den Boden gerammt worden. Rechts von der Wiese waren insgesamt vierzehn Eisstöcke aufgereiht, die Stiele aus Holz, die kreisrunden Untersätze aus Eisen.
Am linken Rand der Wiese waren hölzerne Tische und Bänke aufgebaut. Frisches Brot, sahnige Butter und Speck waren vorbereitet und ließen Johann das Wasser im Mund zusammenlaufen, heißer Wein mit Gewürzen verbreitete einen wunderbaren Duft.
Das ganze Dorf war versammelt. Kinder tobten durch den Schnee, Männer rauchten genüsslich ihre Pfeifen, Frauen schwatzten und lachten – es war eine gelöste Stimmung, wie Johann sie im Dorf noch nie wahrgenommen hatte.
Jakob Karrer ging zu Benedikt Riegler und Alois Buchmüller, die neben den Eisstöcken standen. Johann, Albin, Elisabeth und Sophie gesellten sich zu den Knechten und Mägden.
„Heut scheint ja ein jeder ganz friedlich zu sein“, meinte Johann und blickte zu Karrer.
Albin nickte. „Das Eisschießen ist schon was Besonderes. Geht auch nicht oft, weil normalerweise zu viel Schnee liegt. Aber wenn – dann macht’s allen Spaß.“
„Wann geht’s los?“
„Wenn der Herr Pfarrer da ist“, antwortete Sophie an Albins Stelle. „Ohne ihn geht gar nichts. Auch wenn man sich fragt –“
„Sophie! Reiß dich zusammen und sprich nicht ungebührlich
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