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Projekt Armageddon

Projekt Armageddon

Titel: Projekt Armageddon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Gerdom
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Prolog

    Eine Esche weiß ich, heißt Yggdrasil,
Den hohen Baum netzt weißer Nebel
Davon kommt der Tau, der in die Täler fällt.
Immergrün steht er über Urds Brunnen.

    D er Wanderer lehnt auf seinen Speer gestützt in der ewigen Nacht und blickt über den Weltenfächer. Die Wurzeln der Weltesche bohren sich tief in den Boden; er kann die Wellen der Kraft spüren, die durch die knorrigen Wurzeln emporsteigen in den mächtigen Stamm.
    Eisig kalt, nebelweiß, reifbeschlagen die Wurzel, die in Niflheim gründet. Hier in Dunkelheim steigt das kalte, stille Wasser Hvergelmirs empor, der Brodelkessel, der alle Flüsse der zahllosen Welten speist. Wehe, wenn die Schreckensträgerin fiele und die Wasser versiegten!
    Der Blick seines Auges fällt auf Nidhöggr, den neidischen Wurm, der seit Anbeginn der Zeit die Wurzel benagt. Er stößt seinen Speer auf den Grund. Es donnert, und der Drache hält einen Atemzug lang inne, blickt zu ihm empor.
    Gedanke und Erinnerung kreisen um den Wipfel und streiten sich mit dem namenlosen Adler um einen Brocken Fleisch. Der Gierige und der Gefräßige liegen zu seinen Füßen, ihre Zungen hängen rot und speichelglänzend aus dem gefletschten Gebiss, glühende Augen starren ihn hungrig an. Er beugt sich hinab und tätschelt die grauzottigen Köpfe.
    Riesig die zweite Wurzel, die tief hinunter nach Jötunheim * reicht. Riesenland. Dem ewigen Feind zum Geschenk gemacht. Schutz der Wurzel, Schutz der Quelle. Mimirs Quelle, die Weisheit und Wissen verleiht.
    Er fasst nach dem Auge, seufzt. War der Trank das Pfand wert? Früher hätte er es bejaht, voller Hitze und Zorn der Jugend. Heute, kühler geworden, die Last der Jahrtausende auf den Schultern, schmerzt der Verlust stärker. Wissen? Ohne Zweifel. Schmerzhaft. Eisigkalt wie das Wasser der Quelle. Weisheit? Nun ja.
    Aufgehängt am Wissensbaum hat er ausgeharrt. Die Suche nach Wissen und Weisheit trieb ihn sein Leben lang wie ein nie zu stillender Durst, ein ewig nagender Hunger. Die Knochen sind kalt geworden und der heiße Drang ein kaltes, sehrendes Bohren. Wissen. Weisheit. Was nützen sie jetzt, da das Ende bevorsteht?

    »Ich weiß, dass ich hing
an windigem Baum
neun Nächte lang,
vom Speer verwundet
geweiht dem Odin,
ich selbst mir selbst,
an jenem Baum«
    flüstert er die Verse, die er einst unter Schmerzen geschmiedet, und legt seine Hand auf das atmende Holz. Er steht und erinnert sich. Qualen und Ekstase. Sterne über ihm und der Weltenfächer zu seinen Füßen. Die Welt. Das All. Der Weltenbaum.
    Er dreht den Kopf und senkt ihn ein wenig, um den Schatten des breitkrempigen Hutes über sein Auge zu lenken. Das vielfarbige Licht des Weltenfächers blendet in der ewigen Nacht so stark, als strahle es aus der Sonne selbst.
    Die dritte Wurzel und darunter der Urdbrunnen. Ort des Gerichtes, Wohnung der dunklen Schicksalsschwestern. Tief bohrt sich die Wurzel hinein nach Asgard * . Nach Hause …
    Wieder hebt ein Seufzer seine Brust.Noch ist es nicht an der Zeit, sich auszuruhen. Noch muss er wandern. Durch die neun Welten * , über die staubigen Wege Midgards * .
    Ragnarök * steht bevor und nur ein Spross des Weltenbaums, Nachfahre des Allvaters, nur das Midgardkind kann das Ende der Zeit verhindern. Wenn er es rechtzeitig findet …
    Er pfeift den Wölfen, ruft die Raben zu sich. Wehrt das neugierige Eichhörnchen ab, das an seinem Speer zu nagen versucht. Fort mit dir,Ratatöskr * , geh, überbringe deine Botschaft dem neidischen Wurm und rette dich vor seinem wütenden Feuer hinauf in den Wipfel des Weltenbaums.
    So langeYggdrasil * , die Weltachse, die Himmelsstütze noch steht …
    Der Wanderer zieht seiner Wege.

    Viel weiß der Weise, sieht weit voraus
Der Welt Untergang, der Asen Fall.

Erstes Buch
Verlust

1
    Zu gehen schickt sich, nicht zu gasten stets
An derselben Statt.
Der Liebe wird leid, der lange weilt
In des Andern Haus.
    » D ie Tür ist offen, stell das Zeug irgendwo hin«, rief eine Frauenstimme aus der Küche. »Danke, Bobo!«
    Der junge Mann drückte die Tür auf und stand unschlüssig im Eingang herum. Schwache Helligkeit sickerte durch ein schmutziges Oberlicht und ließ hier einen matten Spiegel, da eine Metallkante, dort eine Holzoberfläche schimmern. Schatten nisteten in den Ecken des großen Raumes. Drei Türen gingen davon ab, eine stand halb offen, die anderen beiden waren geschlossen.
    Der junge Mann strich sich fahrig über das glatte Haar, bewegte die Schultern in der schweren Lederjacke, blickte

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