Mord auf Raten
irgendwann zwischen acht und neun umgebracht wurde und du dir nicht vorstellen kannst, dass ein Arzt wie er sich um diese Zeit noch in der Praxis aufhält? Vielleicht wollte er nur noch etwas holen, was er vergessen hatte. Was weiß ich.«
»Schau dir doch mal an, wie er angezogen ist«, sagte Brandt mit Blick auf den Toten. »So läuft der doch nicht während der Sprechzeiten rum.«
Andrea Sievers lachte auf. »Wenn er wirklich ein Promiarzt war, dann ist er so rumgelaufen. Van-Laack-Hemd, Armani-Hose, italienische Schuhe, eben das, was man in den besseren Kreisen so anzieht. Außerdem hatte er ja keine Sprechzeit. Ich könnte mir vorstellen, dass seine Patienten vorwiegend weiblichen Geschlechts waren. Weiblich und gelangweilt. Und sie haben sich bestimmt gerne von ihm untersuchen lassen.«
»Ja, ja, war schon ein knackiges Kerlchen. Woher kennst du eigentlich die ganzen Markennamen?«
»Was glaubst du, was bei mir schon alles auf dem Tisch gelandet ist. Da wirft man zwangsläufig auch mal einen Blick auf die Etiketten.«
»Auch gut. Und jetzt lassen wir ihn in deine heiligen Hallen bringen, wo du ihn morgen untersuchen wirst.« Und nach einer kurzen Pause: »Wie ist die Johannsen überhaupt hier reingekommen? Die hat doch bestimmt keinen Schlüssel fürdie Praxis.« Er wollte bereits nach draußen gehen, als ihn die Stimme von Andrea zurückhielt.
»Hier, sein Portemonnaie. Alles drin, Kreditkarten, Bargeld …«
»Was?«, fragte Brandt erstaunt.
»Also ich revidiere meine Meinung den Raubmord betreffend. Ich weiß jedenfalls, dass ein Junkie alles mitgehen lassen würde, was auch nur im Entferntesten mit Geld zu tun haben könnte. Für meine Begriffe sollte es nur nach Raubmord aussehen. Ich will damit sagen, dass Kaufung seinen Mörder möglicherweise gekannt hat. Aber der hat eben nicht wie ein Junkie gedacht.«
»Und Kaufung war mit ihm hier verabredet«, sagte Brandt leise. »Ich muss das alles in Ruhe durchgehen. Ich will erst wissen, wie die Johannsen hier reingekommen ist.«
Er lief mit ausgreifenden Schritten nach draußen. Andrea Sievers folgte ihm.
»Frau Johannsen, wie sind Sie in die Praxis gekommen? Haben Sie einen Schlüssel?«
Sie schüttelte den Kopf. »Nein, die Tür war angelehnt, was mich schon ein bisschen gewundert hat. Ich bin rein und habe seinen Namen gerufen. Und als er nicht geantwortet hat, bin ich weitergegangen und habe ihn am Schrank …« Mit einem Mal wurde sie von einem Weinkrampf geschüttelt. Andrea legte einen Arm um sie und sprach leise auf sie ein. Als sie sich einigermaßen beruhigt und die Tränen aus dem Gesicht gewischt hatte, stieß sie bitter hervor: »Er war doch noch so jung!«
»Wie alt war er?«
»Dreiundvierzig.«
»Kam es öfter vor, dass er so spät noch in der Praxis war?«
»Nein. Ich weiß auch nicht, was er hier gemacht hat. Er hatmich um kurz vor sechs noch angerufen und gesagt, er würde bis um halb acht Tennis spielen und sei um neun bei mir …«
»Moment«, wurde Petra Johannsen von Brandt unterbrochen, »Dr. Kaufung war vorhin noch Tennis spielen?«
»Ja. Für ihn war jeden Dienstag und Freitag ein Platz reserviert.«
»Hat er auch mit Ihnen gespielt?« Natürlich hat er mit dir gespielt, aber bestimmt lieber was anderes als Tennis, dachte Brandt.
»Selten, dazu war er viel zu gut.«
»Und wer waren seine Partner?«
»Unterschiedlich. Meistens hat er mit Herrn Wedel gespielt, aber auch mit Herrn Friedrichs oder Herrn Schmieding und natürlich der einen oder andern Frau, ab und zu auch mal mit mir, aber nur, wenn sich niemand anders fand.«
»Und auf welchem Tennisplatz?«
»In Bieber, Siebeneichen. Allerdings nur im Sommer. Im Herbst und Winter ist er immer nach Sachsenhausen gefahren, weil die dort angeblich die beste Halle haben. Ich habe vorhin vergessen zu erwähnen, dass ich auch noch im Tennisclub angerufen habe, wo man mir aber mitteilte, dass Dr. Kaufung schon vor acht gegangen sei.«
»Hatte er einen besten Freund?«
Petra Johannsen zuckte mit den Schultern und meinte nach einigem Überlegen: »Herr Wedel. Aber Jürgen hatte eigentlich keine wirklichen Freunde, er war, was das angeht, eher zurückhaltend. Er scheute enge Beziehungen jeglicher Art, auch wenn er Herrn Wedel das Gefühl gab, sein bester Freund zu sein.«
»Wissen Sie, wie dieser Wedel mit Vornamen heißt?«
»Klaus. Ihm gehört eine Galerie in der Waldstraße.«
»Ach so, daher kommt mir der Name bekannt vor«, meinteBrandt. »Sie können uns nicht
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