MORDrhein-Westfalen (Vier Krimis mit Tatorten in NRW - Münsterland, Sauerland, Niederrhein) (German Edition)
brotlosen Kunst?"
"Sie ist nicht mehr ganz so brotlos. Aber berückend ist es auch nicht."
"So heißt du also immer noch nicht van Gogh oder Picasso?"
"Ich wäre schon zufrieden, wenn ich Immendorf oder Penck hieße!"
Wir lachten beide. Und dann stießen wir unsere Gläser an.
"Und du?", fragte sie.
"Was ist mit mir?"
"Heißt du inzwischen Konsalik oder Stephen King?"
"Nein, immer noch Mike Hell."
Sie ahmte mit der freien Hand einen Revolver nach. "Peng!"
Wir lachten erneut, und in dem Moment wusste ich, dass es wirklich eine gute Idee gewesen war, hierher zu kommen.
"Was ist mit deinem großen deutschen Gesellschaftsroman?", fragte sie dann nicht ohne Ironie.
"Der? Der ist noch immer nicht über Seite fünfundvierzig hinaus. Und diese fünfundvierzig Seiten mag ich inzwischen nicht mehr."
"So bist du also ein geldgieriger Kommerzschreiber und Zeilenschinder geblieben!"
"So ist es."
"Ich wusste nicht, dass es überhaupt noch jemanden gibt, der Western kauft!"
"Och, ein paar hunderttausend sind es immer noch. Aber sie werden weniger, da hast du Recht. Über kurz oder lang werde ich mich in etwas anderes hineinarbeiten müssen."
"Und woran dachtest du da?"
"Bergromane zum Beispiel."
Ich hatte das ganz cool dahergesagt und dann ihre Reaktion abgewartet. Und die kam auch prompt. Ihre Augen quollen hervor und sie sah mich an, als sei ich ein Alien aus den Tiefen des Weltraums. Ich genoss diesen raren Augenblick, denn es ist gar nicht so einfach, jemanden in echtes Erstaunen zu versetzen, der selbst schon so schrill wie Christine ist.
Sie fragte: "Bergromane?Habe ich das richtig verstanden?"
"Ja, Bergromane, das hast du richtig verstanden."
"Aber, wenn Western outsind, dann sind Bergromane doch mindestens MEGAout!"
"Falsch. Bergromane sind MEGAin."
"Hätte ich nicht gedacht."
"Sozusagen der MEGAhit. Liebe und Schicksal vor dem Hintergrund einer ungezähmten Bergwelt, Menschen, die in ihrer Heimat fest verwurzelt sind. Darauf fahren die Leute regelrecht ab. Vor allem in den so genannten neuen Bundesländern!"
"Ich werd' verrückt! Ein norddeutscher Protestant schreibt über süddeutsche Katholiken ..."
"... für Atheisten aus dem flachen Mecklenburg."
"Verrückt!"
"Wenn man sich den Wilden Westen vorstellen kann, dann kann man sich auch die bayerischen Alpen vorstellen."
"Warst du denn wenigstens schon mal dort?"
"Wo?"
"In den Alpen, wovon sprechen wir denn?"
"War ich vielleicht schon einmal im Wilden Westen?"
"Keine Ahnung. Aber den gibt es ja auch nicht mehr. Das ist doch eine Märchenwelt."
"Das eine ist genauso eine Märchenwelt wie das andere. So sehe ich das. Von den Alpen weiß ich nur, dass man da drüber muss, wenn man an die Adria will."
"Oh, mein Gott ..."
"Ob der damit nun allzuviel zu tun hat, weiß ich nicht."
"Hast du bei dieser Art von Volksverdummung eigentlich gar keine Gewissensbisse?"
"Nicht mehr als du, wenn du dich von einem OB hoffieren lässt, von dem ich annehme, dass er den Unterschied zwischen Malen und Anstreichen kaum kennt."
Ob Christine diesen Unterschied noch kannte? Während mein Blick die mit großen Formaten voll gehängten Wände entlangglitt, kamen mir da doch leichte Zweifel.
Aber vielleicht lag das auch einfach nur an der Tatsache, dass Christine rein künstlerisch gesehen eigentlich nie zu meinen Favoriten gezählt hatte − selbst zu der Zeit nicht, als sie es auf privater Ebene zweifellos noch war.
Wir hatten beide nicht bemerkt, wie sich der OB Dr. Werneck an uns herangeschlichen hatte. Sein Goldzahn blitzte, als er den Mund zu einem Lächeln aufriss und Christine dann die Hand schüttelte.
Ein paar Nettigkeiten folgten.
Ob der OB etwas von Kunst verstand, kann ich nicht beurteilen. Ich verstehe ja selbst nicht viel davon, obwohl ich mir manche Sachen gerne anschaue.
Max Ernst oder Salvador Dali oder Hieronymus Bosch zum Beispiel. Aber im Fall von Dr. Werneck tippte ich eher darauf, dass er hier war, um sich mit der Kunst zu schmücken.
Der Fotograf mit den strähnigen Haaren war auch bald zur Stelle, und dann blitzte es grell, und wenn wir Pech hatten, würden wir uns alle drei − Christine, Werneck und ich − am nächsten Tag auf der Lokalseite wiederfinden.
Meinetwegen konnte man mich ruhig wegretouchieren. Vielleicht würde man es sogar tun, falls ich irgendwie etwas Wichtiges verdecken sollte. Schließlich war ich alles andere als eine Person des öffentlichen Interesses.
Der Pressemann schwirrte schließlich wieder ab, und nun
Weitere Kostenlose Bücher