Das Glück über den Wolken: Roman (German Edition)
1. Kapitel
»Und wer war jetzt noch mal dieser ›böse Onkel Eric‹? Ich bin sicher, du hast es mir bereits erzählt, aber ich komme mit meiner eigenen Verwandtschaft schon durcheinander, ganz zu schweigen von der anderer.«
Sophie legte den Teelöffel auf die Untertasse und blickte nachdenklich über den Tisch auf Amanda, eine ihrer zwei besten Freundinnen. »Er ist ein Verwandter von Dad, Mands, aber da ich ihm noch nie begegnet bin – oder falls doch, so jung war, dass ich mich nicht daran erinnern kann –, ist es kaum überraschend, dass du ihn vergessen hast. Ich bin auch gar nicht sicher, ob er wirklich mein Onkel ist oder nur ein älterer Cousin. Es hat da mal einen Streit gegeben, der aber inzwischen beigelegt ist.«
Sie saßen in ihrem Lieblingscafé an ihrem Lieblingstisch am Fenster, von dem aus sie die Passanten beobachten und gegebenenfalls über deren Klamotten lästern konnten. Sophie wischte aus Gewohnheit etwas verschütteten Kaffee mit der Serviette auf.
»Und warum sollst du hinfahren und auf ihn aufpassen? Du bist doch erst zweiundzwanzig. Nicht wirklich alt genug, um als alte Jungfer zur Beaufsichtigung eines unverheirateten männlichen Verwandten abgeschoben zu werden.« Amanda malte mit so heftigen Bewegungen Muster in den Milchschaum ihres Cappuccinos, dass ihre Missbilligung offensichtlich war.
Sophies Augen wurden in gespielter Entrüstung schmal. »Du hast zu viele historische Romane gelesen, Mandy, obwohl ich zugeben muss, dass es wirklich ein bisschen so klingt, als würde die unverheiratete Tochter zum reichen Onkel geschickt, weil alle hoffen, dass dieser ihr dann sein ganzes Geld hinterlässt.« Sie runzelte die Stirn. »Aber so ist es nicht.«
Ihre Freundin hob skeptisch die Augenbrauen.
»So ist es nicht!«, protestierte Sophie.
»Dann musst du für deine Familie also nicht – mal wieder – das Mädchen für alles spielen? Während diese andere Verwandtenaufpasserin im Urlaub ist?«
Sophie zuckte mit den Schultern. »Sie ist keine Aufpasserin! Sie ist eine Haushälterin oder Pflegerin oder so etwas. ›Aufpasserin‹ klingt furchtbar.«
Amanda sah Sophie in die Augen. »Warum du? Warum nicht jemand anders aus deiner Familie? Deine Mutter zum Beispiel.«
»Oh, Amanda! Du weißt, warum! Niemand sonst will es machen, und um ehrlich zu sein, habe ich ja auch gerade sonst nichts zu tun.« Sophie war bewusst, dass ihre Freundin sich sehr viel mehr darüber aufregte, dass sie sich um einen alten Verwandten kümmern sollte, als sie selbst. Vielleicht ließ sie sich von ihrer Familie wirklich zu viel herumschubsen. »Ich lasse mich von ihm bezahlen.«
»Und du denkst, das macht er? Er könnte jemanden von einer Vermittlung kommen lassen, wenn er das wollte. Dann würde er doch nicht darauf bestehen, dass ein Mitglied der Familie einspringt. Er muss gemein sein. Deshalb nennen sie ihn auch ›böse‹.«
Sophie überlegte. »Na ja, wie ich schon sagte, ich bin ihm noch nie persönlich begegnet, aber meine Eltern behaupten, er sei schrecklich geizig. Offenbar haben sie ihn während einer finanziellen Krise um ein Darlehen gebeten, und er hat sie aus dem Haus gejagt und dabei Stellen von Shakespeare über Schuldner und Kreditgeber zitiert und geschimpft, dass er keiner sei.« Sophie lachte bei dem Gedanken, wie wütend ihre Eltern gewesen sein mussten. »Das ist aber schon viele Jahre her.«
»Er muss ein Pfennigfuchser sein, wenn er dich bittet, ihn zu pflegen, obwohl er sich auch eine professionelle Hilfe leisten könnte.«
Sophie biss sich auf die Lippe. Sie wollte Amanda nicht sagen, dass es ihre Mutter gewesen war, die Sophies Dienste angeboten hatte, vermutlich, um den Onkel milde zu stimmen, jetzt, da er dem Tod so viel näher stand als noch vor Jahren. Er wollte ihnen vielleicht kein Geld leihen, hinterließ ihnen jedoch vielleicht welches, vor allem, da es offenbar nicht viele andere Verwandte zu geben schien. Und Sophies Familie war schon immer sehr knapp bei Kasse gewesen.
Amanda kannte Sophie jedoch schon seit der Grundschule und wusste nur zu gut, wie ihre Freundin von ihrer Familie behandelt wurde. »Jetzt sag nicht, das war die Idee deiner Mutter.«
»Okay, dann sage ich es nicht!« Sophie zwinkerte Amanda über ihre Kaffeetasse hinweg zu. »Schon gut! Ich weiß, du glaubst, dass sie mich alle schrecklich herumschubsen, doch ich bekomme meinen Willen öfter, als ihnen bewusst ist. Wenn einen die Leute für dumm halten – selbst die eigene Familie –, dann
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