Mordsidyll
kräftiger an ihm rüttelte, fiel eine CD scheppernd aus seiner Lederjacke auf die StraÃe. Er selbst gab keinen Laut von sich. Neugierig griff Anna nach der CD-Hülle. Schlagartig wurde ihr klar, dass dies ein Fehler gewesen war. Panik stieg in ihr auf. Jetzt waren ihre Fingerabdrücke auf der Hülle!
Das Motorengeräusch eines Autos schreckte sie auf. Hastig hob sie den Kopf und sah einen dunklen Wagen langsam auf sich zufahren. Sie musste verschwinden  â und zwar schleunigst!
Instinktiv steckte sie die CD in ihre Handtasche, erhob sich und eilte mit raschen Schritten davon. Anna hörte, wie das Auto hinter ihr immer näher kam. Sie rannte los, den Blick starr geradeaus gerichtet. Hinter dem Gefängnis endete die StraÃe und mündete in einen groÃen Parkplatz, von dem aus eine Wanderstrecke zur Talsperre hinaufführte. Sie wusste, dass der Weg durch den Wald in einen kleinen Trampelpfad überging, der sie zu einer entfernten Bushaltestelle bringen würde. Anna presste im Lauf ihre Tasche eng an den Körper und sprintete den steil ansteigenden Weg hinauf. Sie kam auf dem morastigen Boden ein paar Mal ins Rutschen, doch ihre Angst verlieh ihr ungeahnte Kräfte. Sie wollte einfach nur weg  â so schnell wie möglich weg von hier.
*
Alexej stoppte den schwarzen 5er-BMW direkt neben dem regungslosen Körper, der halb auf dem Gehsteig, halb auf der StraÃe lag. Roman stieg hektisch auf der Beifahrerseite des Wagens aus.
Als er das Messer erblickte, blieb er erstarrt stehen. Dann beugte er sich über den schlaffen Körper und rollte ihn auf den Rücken. »Hey, Boris!«, schrie er und gab seinem Kumpan kurze, leichte Schläge auf die Wangen.
Als seine Bemühungen keinen Erfolg zeigten, schaute er in die Richtung, in die die Frau geflüchtet war. Schnell griff er nach der Sporttasche, die auf der StraÃe lag, und warf sie ins wartende Auto. »Die Frau mit dem Kopftuch! Ihr hinterher, los beeil dich, Alexej!«, rief er seinem Fahrer zu und sprang in den Waagen.
Der 5er-BMW schoss vorwärts auf den Parkplatz zu. Mit schleuderndem Heck brachte Alexej den Wagen kurz vor dem rot-weiÃen Poller des Wanderweges zum Stehen.
Beide Männer sprangen heraus und Roman zückte einen Revolver, doch die Frau war mittlerweile auf dem Hügel nur noch schemenhaft zu erkennen. Der feine Nieselregen hing wie Nebel über dem ansteigenden Gelände, die Nadelbäume des Waldes waren im Hintergrund lediglich als dichte Schatten zu erahnen.
Romans Blick glitt auf den morastigen Boden. Als er die frischen Abdrücke von groben Schuhprofilen entdeckte, die sich mit Wasser gefüllt hatten, nickte er seinem Kumpel zu. Mühselig stolperten sie den Weg hinauf. Ihnen blieb nicht viel Zeit, bis die Polizei eintreffen würde, doch sie verloren immer wieder den Halt auf dem matschigen Untergrund.
Nachdem sie wiederholt bergab geschlittert waren, hielt Alexej inne und rückte seine Baseballkappe zurecht. »Es hat keinen Sinn, Roman!«, keuchte er.
Roman blickte resigniert an sich hinunter. Er war noch ungeeigneter gekleidet als Alexej mit seiner Rapperkluft. Die Hosenbeine seines Designeranzugs und sein eleganter Wollmantel waren von Schlammspritzern bedeckt. Dicke Erdklumpen klebten an seinen teuren, schwarzen Lederslippern.
»Du hast recht. Unsere Schuhe sind zu rutschig. Die werden wir uns später schnappen. Das wird die kleine Türkin mir bezahlen!«, raunte er und stopfte seinen Revolver wütend ins Holster unter seiner Anzugjacke.
»Und was machen wir jetzt?«, fragte Alexej kleinlaut.
»Wir fahren zu Viktor, erzählen ihm die ganze ScheiÃe hier. Der hat bestimmt eine Idee. Los beeil dich, bevor die Bullen kommen.«
*
Lebrecht saà in seinem Mercedes, zog nachdenklich an seiner Zigarette und blies den Rauch langsam zum Seitenfenster hinaus. Zum Glück hatte er seinen Wagen in sicherer Entfernung am Rand des Parkplatzes abgestellt und hatte alles unbemerkt beobachten können. Die Geschehnisse brachten ihn ins Grübeln. Wer war die Frau mit Kopftuch und was waren das für lächerliche Gestalten, die sie verfolgten? Die kamen nicht mal diesen leichten Anstieg hoch! Aber wie denn auch, wenn man die Hosen in den Kniekehlen trug beziehungsweise sich wie ein geleckter Mafiosi kleidete!
In aller Seelenruhe beobachtete er, wie die zwei Karikaturen zu ihrem BMW zurücktrotteten, mit quietschenden
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