02 - Heiße Nächte der Leidenschaft
Kapitel 1
London, Dezember 1804
Brandenburg House
Mayfair, London
Lady Sophie York, die einzige Tochter des
Marquis von Brandenburg, hatte bereits den Antrag eines Barons abgelehnt, der
sie auf einem Balkon um ihre Hand bat. Sie hatte zwei Grafensöhne, eine Hand
voll Baronets und einen Viscount abgewiesen, die ihr äußerst förmlich den
gleichen Wunsch im Arbeitszimmer ihres Vaters vortrugen. Und schließlich hatte
sie einen Marquis während einer Jagd und einen einfachen Mr Kissler in Ascot
abgewiesen. Mädchen, die weniger vom Glück begünstigt waren als Sophie, konnten
ihre Beweggründe nicht begreifen. Innerhalb von zwei Jahren hatte Sophie den
meisten in Frage kommen den Junggesellen der feinen Gesellschaft einen Korb
gegeben. Aber nach dem heutigen Abend würde es keine Anträge mehr geben, seien
es nun eilige, maßvolle, gestammelte oder sonstige. Nach dem heutigen Abend würden
sich die Neider einig sein: Das Mädchen hatte auf einen Mann von hohem Rang
gewartet. Lady Sophie war mit einem Grafen verlobt und würde in der nächsten Saison
eine Gräfin sein.
Sophie schnitt
ihrem Spiegelbild eine Grimasse und dachte an die neugierigen Gesichter und
tiefen Knickse, mit denen sie am Abend beim Ball bei den Dewlands konfrontiert
werden würde. Ein Gefühl der Unsicherheit machte sich in ihrem Magen breit, ein
ungewöhnlicher Anflug von Befangenheit. War dies das richtige Kleid für die
Bekanntgabe ihrer Verlobung? Es war aus hellsilberner hauchdünner Seide
gearbeitet. Vielleicht würde sie diese Farbe im Ballsaal, inmitten der
glänzenden Federn, der entblößten Busen und der bemalten Wangen der weiblichen
Angehörigen der Beau Monde, zu blass erscheinen lassen. Silber war solch eine
nonnenhafte Farbe. Ein Funken der Belustigung glimmte in Sophies Augen auf.
Einer Nonne würden schon allein bei der Vorstellung die Sinne schwinden, ein
tief ausgeschnittenes Kleid im französischen Stil zu tragen, das unterhalb der
Brüste von Silberbändern zusammengehalten wurde, die um das Mieder
herumführten. Der fließende Stoff des schmalgeschnittenen Rocks schmiegte sich
kokett an die Rundungen ihrer Hüften.
In diesem Moment segelte die Marquise von Brandenburg in das Schlafzimmer.
»Bist du fertig, Sophie?«
»Ja, Maman«, erwiderte
Sophie und verwarf die Idee, ihr Kleid zu wechseln. Sie kamen bereits zu spät
zu dem Ball der Dewlands.
Die Augen der
Marquise verengten sich, als sie Sophies Erscheinung musterte. Eloise selbst
trug ein mit Blumen besticktes Kleid aus mausgrauem Satin, das am Saum mit
Fransen verziert war. Es hatte zwar keinen Reifrock, aber der Schnitt er weckte
diesen Eindruck. Es ähnelte sehr stark dem Stil, der zwanzig Jahre zuvor zur
Zeit von Eloises Hochzeit modern gewesen war.
»Dieses Kleid«,
sagte Eloise streng, »ist eine Schande.«
»Ja, Maman.« Das
war Sophies übliche Antwort auf die Kommentare ihrer Mutter zu ihrer Kleidung.
Sie nahm ihren Schal und ihren Retikül und wandte sich in Richtung Tür.
Eloise zögerte und
ein unsicherer Ausdruck erschien auf ihrem Gesicht. Sophie blickte sie erstaunt
an. Ihre Mutter war Französin und schien das Leben als eine Art Schlachtfeld
anzusehen, auf dem sie der einzige General mit einer stehenden Armee war. Ihr
Zögern sah ihr gar nicht ähnlich.
»Heute Abend«,
sagte Eloise, »werden wir bekannt geben, dass du den Heiratsantrag des Grafen
von Slaslow angenommen hast.«
»Ja, Maman«, stimmte
Sophie ihr zu.
Es entstand eine
kurze Pause. Sophie fragte sich, worin das Problem bestehen könnte. Ihrer Mutter
fehlten niemals die Worte.
»Möglicherweise
fordert er ein Pfand deiner Zuneigung.«
»Ja, Maman.« Sophie
senkte den Blick, damit ihre Mutter ihre schelmische Erheiterung nicht sehen
konnte.
Arme Mama! Sie war
in einem französischen Konvent groß geworden und sehr wahrscheinlich ihrer
Hochzeitsnacht schlecht vorbereitet entgegen gegangen. Dank der Tatsache, dass
Eloise einen Engländer geheiratet hatte, der so besessen von Frankreich und
allem Französischen war, dass er die französische Variante Marquis der englischen
Form Marquess vorzog, war ihre Tochter in einem Haus aufgewachsen, in
dem es von französischen Emigranten nur so wimmelte. Ihr Kindermädchen stammte
aus Frankreich, die Bediensteten stammten aus Frankreich und der Koch war
selbstverständlich ebenfalls Franzose. Eloise hatte keine Ahnung, wie weltlich
sich die Gespräche im Kinderzimmer gestaltet hatten, noch bevor Sophie in die
Gesellschaft eingeführt worden
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