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Mordskind: Kriminalroman (German Edition)

Mordskind: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Mordskind: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Mischke
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um sich mit Sekt und Pils vom Faß für den letzten Akt zu stärken. Die Spieler zogen sich zurück in den festlich zurechtgemachten Probenraum, wo die Hühnchen gerade Sektgläser polierten und letzte Hand ans kalte Buffet legten. Wie jedes Jahr wurde nach der Vorstellung die Lokalprominenz zur »intimen« Premierenfeier erwartet.
    Siggi, eine Flasche Bier in der Hand, drückte Paula an sich. »Wunderbar«, flüsterte er, »dreimal Szenenapplaus für dich.«
    »Für mich und Rainer«, räumte Paula fairerweise ein und nickte ihm zu.
    »Lilli wäre stolz auf Paula, nicht wahr?« zwitscherte Barbara. Sie war bester Laune und lächelte unter ihrer grauen Gesichtsfarbe, dem viel zu blauen Lidschatten und den Falten, die sie sich mutig hatte anschminken lassen. Sie schien Paula ihren Erfolg tatsächlich zu gönnen; jetzt, wo sie die neue Frau Bürgermeister war, konnte sie sich diese Großzügigkeit durchgehen lassen.
    Hermann kam die Treppe herunter und gratulierte seiner Frau und dann den anderen.
    »Nicht! Noch nicht gratulieren«, rief Gudrun abergläubisch, »es ist noch ein Akt zu spielen!« Sie rannte mit der Puderquaste von einem zum anderen und besserte das Make-up nach.
    »Rainer, du warst super. Bloß einmal hast du eine ganze Seite Text ausgelassen«, sagte Paula.
    »Ich weiß. Aber du hast hervorragend reagiert. Keiner hat was gemerkt. Schon gar nicht unser Herr Hauptkommissar.«
    Paula trat vor den Spiegel und überprüfte ihr Make-up. Barbara und Hermann traten hinter sie. Barbara zupfte an ihren graugesträhnten Locken.
    »Das wird wieder eine lange Nacht«, stöhnte ihr grellgeschminkter Mund in lustvoller Verzweiflung. »Paula, hilfst du mir nachher ein bißchen beim Eingießen der Sektgläser? Nur bis der erste Ansturm vorbei ist.«
    »Das kann ich doch«, wandte Hermann ein.
    »Du doch nicht«, entgegnete Barbara, als hätte er angeboten, das Klo zu säubern. »Außerdem macht es einen guten Eindruck, wenn die Hauptdarstellerin das übernimmt.«
    »Ich weiß nicht«, antwortete Paula ausweichend, »ich werde wohl gar nicht an der Feier teilnehmen.«
    »Warum nicht?« fragte Barbara. »Ist es wegen Lilli? Sie hätte sicher nicht gewollt, daß du zu Hause sitzt und Trübsal bläst. Genieße ruhig deinen Triumph, du hast ihn verdient!«
    »Danke«, lächelte Paula, »aber das ist es nicht. Ich muß zu Simon. Meine Babysitterin ist im letzten Augenblick abgesprungen, und die, die ich jetzt habe, ist nicht besonders zuverlässig. Sie schläft immer vor dem laufenden Fernseher ein, und nicht mal ein Kanonenschlag könnte sie aufwecken.«
    »Ach so«, sagte Barbara bedauernd. »Aber wenigstens eine Viertelstunde bleibst du, oder?«
    »Mal sehen.«
    Siggis Stimme hallte durch den stimmengefüllten Raum: »Es hat schon zweimal geläutet! Rauf mit euch.«
    »Toi, toi, toi«, flüsterte Hermann Ullrich. Die Spieler gingen folgsam nach oben, um hinter der Bühne auf ihren Auftritt zu warten. Durch das Guckloch beobachtete Paula, wie sich der Raum wieder mit Zuschauern füllte.
    Die kleine Szene von eben hielt sich wie ein Nachbrenner in ihrem Gedächtnis, obwohl an ihr doch wirklich nichts Besonderes war.
    Oder? Auf einmal hatte sie ein Déja-vu-Erlebnis von überwältigender Intensität. Sie hatte diese Szene schon einmal erlebt, dieses Dreiergespann – sie und Barbara und Hermann, die vor einem Spiegel standen. Schlagartig fiel es ihr ein: Es war an ihrem Geburtstag gewesen, als sie bei der Ankunft der Ullrichs alle in der Diele gestanden hatten.
    Die Erkenntnis traf sie mit solcher Wucht, daß sie beinahe laut aufgeschrien hätte. In ihrem Flur hatte Barbara – oder, nein, es war Paula selbst gewesen – Doris gefragt, wer denn bei Max sei. Paula erinnerte sich an den wissenden Blick, den sie und Barbara auf Doris’ fadenscheinige Antwort hin gewechselt hatten. Sie beide wußten in dem Moment, daß das Kind alleine war. Und da war Herrmann gewesen, der scheinbar gedankenverloren und bewundernd auf die Elfenbeinintarsien von Tante Lillis Schlüsselkästchen starrte. Mit einem Mal wurde Paula klar, daß er sehr wohl zugehört hatte und daß er nicht auf das Schlüsselkästchen gestarrt hatte, sondern auf die Schlüssel. Den Schlüssel. Den Schlüssel mit dem blauen Schild und der schulmädchenhaft deutlichen Aufschrift »Doris Körner«. Den Schlüssel, den sie nie mehr gefunden hatte. Paula krallte sich am Vorhang fest. Atemlos sah sie hinaus in den Zuschauerraum. Eben klingelte es zum dritten Mal. Alle

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