Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mordspech (German Edition)

Mordspech (German Edition)

Titel: Mordspech (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver G. Wachlin
Vom Netzwerk:
nicht weit sein. Die nächste
Tür war mit AEW bis AHB beschriftet, dann folgten die Türen WCD und WCH …? Boelter stutzte: Wieso plötzlich WC ?
Dann begriff er, dass er vor den Toiletten stand, und lief zügig weiter, bis er
die gesuchte Tür mit der richtigen Buchstabenfolge fand.
    Regale mit staubigen Ordnern füllten den Raum, so dicht gestellt,
dass gerade einer dieser popeligen Aktenwagen dazwischen passte, die überall im
Gang der Nutzung harrten. Vergebens, denn Boelter brauchte nur zwei Ordner, und
die würde er sich unter den Arm klemmen, sobald er sie gefunden hatte.
Aufmerksam studierte er die Beschriftungen und schlich zwischen den Regalen
hindurch.
    Die Arndts schienen wahre Konterrevolutionäre gewesen zu sein, denn
es gab gleich mehrere davon: Arndt, Bernd – Arndt, Erich – Arndt, Gustav –
Arndt, Jan Fridolin, na endlich! Die Ordner aus den Jahren 1960 und 1961
befanden sich ganz unten. Boelter bückte sich und zog sie vorsichtig heraus …
    … als er plötzlich den kalten Stahl eines Pistolenlaufs am
Hinterkopf spürte.
    »Ganz ruhig bleiben und keine hektischen Bewegungen«, sagte eine
kühle männliche Stimme.
    Augenblicklich verharrte Boelter und hielt den Atem an. Verdammt,
schoss es ihm durch den Kopf, jetzt liegt die Stasi schon in den letzten Zügen,
und trotzdem riskiere ich Trottel, in deren Kellern erschossen zu werden. Ein
Held der Revolution, später einmal werden sie Straßen und Plätze nach mir
benennen.
    »Hoch mit Ihnen«, forderte die Stimme, und der Pistolenlauf löste
sich von Boelters Hinterkopf. »Ganz langsam aufstehen, nicht umdrehen und schön
die Hände zeigen.«
    Boelter tat, wie ihm geheißen. Er hob die Arme und richtete sich
vorsichtig auf. In seinen Händen zitterten die beiden Aktenordner. Er hatte es
nicht gewagt, sie fallen zu lassen – Männer mit Schusswaffen können ziemlich schreckhaft
sein, und er wollte kein lebensgefährliches Missverständnis riskieren. So stand
er da, die Arme seltsam vom Körper weg angewinkelt, mit zwei Ordnern in den
Händen, die immer schwerer wurden. Ick muss einen lächerlichen Anblick bieten,
dachte er hilflos, James Bond jedenfalls macht in keinem seiner Filme so eine
komische Figur.
    »Treten Sie rüber an die Wand«, sagte die Stimme ruhig, »und nicht
umdrehen.«
    Boelter hörte, wie der Mann Platz machte, sodass er zwischen den
Regalen hervortreten und sich an die Wand stellen konnte. Kurz darauf wurden
ihm die Akten aus den Händen genommen.
    »Was wollten Sie damit?«
    »Nüscht.« Boelter zwang sich, professionell zu klingen, und starrte
an die Wand. »Ick arbeite im Auftrag.« Er hörte, wie die Ordner durchgeblättert
wurden, und überlegte, ob der Mann dafür die Waffe weggesteckt hatte … Wer
einen Aktenordner durchsieht, kann nicht gleichzeitig mit der Waffe drohen –
und das war die Chance.
    Blitzschnell fuhr er herum, um den Gegner zu überwältigen. Doch sein
Wehrdienst war über fünfundzwanzig Jahre her und Boelter regelrecht
eingerostet. Noch ehe er den Angriff beenden konnte, landete er bäuchlings auf
dem harten Betonboden, dass ihm alle Knochen wehtaten, und hatte wieder den
kühlen Stahl der Waffe am Hinterkopf.
    »Wer ist Ihr Auftraggeber?«, raunte die Stimme an seinem Ohr.
    »Keene Ahnung«, japste Boelter atemlos, »det war ‘n Fahrgast. Ick
bin nur Taxifahrer, ick …«
    »Mhm«, machte die Stimme und rückte von ihm ab. »Stehen Sie auf!«
    Vorsichtig kam Boelter hoch und fühlte seine pomadisierte
Rockabilly-Frisur in sich zusammensinken. Aber er lebte noch, und das war die
Hauptsache. Mensch, det hätte schiefgehen können, durchfuhr es ihn eiskalt, als
er die Marakow in den Händen seines Gegenübers sah, det hätte verdammt noch mal
mächtig in die Hose gehen können …
    Aus den oberen Stockwerken hörte man gedämpft aufgeregtes Geschrei
und Fußgetrappel. Immer wieder rumste es, wurde irgendwas zerdeppert. Da
reagierte sich der Volkszorn ab.
    »Wissen Sie, wozu Ihr Auftraggeber die Akten braucht?«
    »Nö«, beteuerte Boelter, »keene Ahnung, ehrlich! Er hat mir
zweitausend West jeboten, wenn ick det Zeug besorge.« Er lächelte unschuldig.
»Is ja ‘n Haufen Kohle. Die wollte ick mir nich entgehen lassen, vastehnse?«
    »Klar.« Der Mann nickte und steckte die Makarow ins Holster unter
seinem pastellfarbenen Leinensakko. Sicher ein westliches Fabrikat. Dazu trug
der Mann eine 501er Levi’s sowie ein Jeanshemd, beides in Schwarz, was Boelter
zu der Überlegung veranlasste, ob er

Weitere Kostenlose Bücher