Mordsucht
Serienmörder. Man könnte meinen, in meiner Lage wäre es angebrachter, Liebesromane oder Komödien zu lesen, da ich als Kriminalbeamter selbst in Abgründe menschlicher Seelen blickte. Allerdings faszinierte es mich, über Mordfälle, Entführungen und andere Grausamkeiten zu lesen, weil sie der Fantasie eines Autors entsprungen waren und nicht die Realität zeichneten. Fiktion konnte ein wunderbares Mittel sein, um vom wahren Leben abzulenken.
Ich legte den Roman zurück auf den Tisch, ging ins Bad und machte mich bereit fürs Bett. Mit Anspannung sah ich dem nächsten Tag entgegen. Ich freute mich, die Arbeit wieder aufzunehmen und meine Kollegen wiederzusehen. Ein winziger Zweifel blieb dennoch. Die Ärzte erklärten mich zwar für geheilt und gaben mir grünes Licht zurückzukehren, um auf Verbrecherjagd zu gehen. Aber das kleine, rote Teufelchen setzte sich ab und an noch auf meine Schulter und flüsterte mir Dinge ins Ohr.
Kapitel 3
Er hielt vor der Haustür inne und sah sich das Namensschild an. Kira und Martin Geib stand darauf. Also erwartete ihn mehr als nur sein Exemplar, es gab eine Zeugin zu beseitigen, sollte sie sich im Haus aufhalten.
Er umklammerte den Griff seines Werkzeugkoffers fester und klingelte. Es dauerte ein paar Sekunden, bevor jemand die Tür einen Spaltbreit öffnete und sich eine Eisenkette in dem schmalen Schlitz spannte. Er war es!
»Bitte?« Nicht nur Martins Gesicht schien perfekt, auch die dunkle Stimme ließ sein Herz schneller schlagen und die Ungeduld, ihn zu besitzen, wuchs ins Unermessliche.
»Es hat einen Rohrbruch in der Nachbarschaft gegeben. Ich muss kontrollieren, ob bei Ihnen alles in Ordnung ist.« Ein lächerlicher Vorwand, um in fremde Häuser zu gelangen. Er war immer wieder erstaunt, wie gutgläubig die Bewohner ihm den Zutritt gewährten.
»Oh.« In den Augen von Martin kam kein erkennbarer Zweifel auf. Er wandte sich ab. »Schatz, zieh dir was über, hier ist ein Klempner.« Er schloss kurz die Tür, entfernte die Kette und ließ ihn herein.
Martin streckte ihm die Hand entgegen. »Martin, angenehm.«
Er sah das Exemplar verwirrt an, selten stellten sich ihm seine Opfer mit Namen vor. Er fand sie in der Regel heraus, wenn er die Habseligkeiten durchsuchte und auf den Personalausweis stieß.
Schnell nannte er seinen Decknamen. »David.« Er ergriff die Hand und schüttelte sie kräftig. »Fangen wir am besten im Bad an.«
»Ich zeige es Ihnen.« Martin ging voran und David lief ihm angespannt hinterher.
Er betrachtete die breiten Schultern, den wohlgeformten Hintern und seine geraden Beine. Bei Männern gab es oftmals einen schwerwiegenden Makel, den er nicht ertragen konnte: O-Beine. Nicht zuletzt deshalb, weil er selbst darunter litt.
»Hier ist es.« Martin öffnete eine Tür und zeigte in den kleinen Raum. »Falls Sie was brauchen, rufen Sie ruhig.« Nach kurzem Zögern verschwand er.
David wunderte sich aufs Neue, wie unbedarft und vertrauensvoll manche Menschen waren. Er trug keinen Blaumann, nur der Werkzeugkoffer konnte den Verdacht erwecken, einen Handwerker vor sich zu haben. Und doch hatte Martin ihn, ohne zu zaudern, in sein Haus gelassen.
Er stellte die Kiste ab und holte Werkzeuge heraus, die niemand darin vermutete. Eine Pistole und Kabelbinder, mehr brauchte er im Moment nicht. Alles Weitere konnte er holen, wenn er sie in seiner Gewalt hatte.
David ging mit den Sachen in der Hand aus dem Bad und lauschte, wo sich das Objekt seiner Begierde aufhielt. Er erreichte das Ende des kleinen Flurs und spähte um die Ecke nach rechts in ein Wohnzimmer mit offener Küche. Zwei Hinterköpfe ruhten auf der Rücklehne einer im Raum stehenden Couch. Einer blond, einer braunhaarig.
»Wie war dein Tag heute, Schatz?«, erkundigte sich Martin.
»Frag bloß nicht!«, stieß die Frau hervor. »So ein Irrer kam in den Laden und wollte zehn Kilo Hundefleisch. Kannst du dir das vorstellen? Mein Chef warf ihn aus der Metzgerei und drohte die Polizei zu rufen, sollte er sich noch einmal blicken lassen.«
Martin kicherte. »Die Welt ist voller Psychopathen, ich sag's ja immer wieder.«
Das war Davids Stichwort, er fühlte sich angesprochen, wenn jemand über Verrückte sprach. Er ahnte, was die Leute über ihn sagen würden, wenn sie wüssten, was er mit den Exemplaren anstellte, die er sich besorgte. Er hörte ihr Gerede im Kopf: »Geisteskranker! Der ist doch total gaga! Wie kann man nur so geistesgestört sein?« Interessierte ihn das? Nein, kein
Weitere Kostenlose Bücher