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Morgen früh, wenn Gott will

Morgen früh, wenn Gott will

Titel: Morgen früh, wenn Gott will Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claire Seeber
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Augustnachmittag, an dem ich mich nach einem kühlenden Regenschauer sehnte. Im Stillen verfluchte ich Maxine, als ich versuchte, die Tasche vom Sand zu reinigen, hartnäckige Körner, die sich zwischen Windeln und auf ewig von Karottenmus gezeichneten Lätzchen eingenistet hatten. Offensichtlich hatte sie von ihrem Ausflug letzte Woche den halben Strand mit in die Tasche gepackt. Nun war alles voller Sand, der sich mit Louis’ äußerst sorgfältig zubereiteter Kleinkindnahrung vermengte, die er ohnehin gerade verweigert hatte. Dieses sanfte Rieseln der Körner machte mich allmählich mürbe, denn mittlerweile spürte ich sie in Augen und Mund. Ich zog ein Gesicht und spuckte sie aus, aber meine gute Stimmung war erstmal dahin.
    Ich atmete tief durch. Und dann ein zweites Mal. Es war dumm, sich jetzt aufzuregen, sagte ich mir. Ich war einfach nur müde, was Louis nicht wissen konnte und was ihn einfach auch nicht interessierte. Und da er gerade über seinem Mangomus eingenickt war, machte ich die Tasche einfach zu. Eine erschöpft aussehende Frau in einem schrecklichen grünen Batikkleid war gerade dabei, sich ihre Tochter zu schnappen, die sich an den Postkartenständern gegenüber unserem Tisch zu schaffen machte. Sie zog die widerstrebende Kleine hinter sich her, herabfallende Picasso-Postkarten umflatterten das Duo. Das Kind machte sich schwer, um seinen Willen durchzusetzen, sodass die Mutter es auf den Fersen hinter sich her schleifen musste. Das Gesicht der zeternden Kleinen war kreidebleich vor Anstrengung, ein merkwürdiger Kontrast zu ihrer strahlend gelben Miffy-Weste. Kunstliebhaber mittleren Alters warfen den beiden offen missbilligende Blicke zu. (Offensichtlich wünschten sie nicht, dass ihr Ausflug ins Museum von derlei Familiendramen gestört wurde. Nein, danke. Schließlich hatten sie schon frühmorgens den Vorortzug genommen, die Times ordentlich unter den Arm gefaltet, und genossen jetzt ihren Chardonnay mit den Räucherlachssandwiches zum Lunch.) Ich warf der geplagten Mutter einen verständnisinnigen Blick zu als Ausdruck der für mich noch so neuen Solidarität unter Müttern, zu deren Riege ich jetzt unleugbar zählte. Was ich immer noch irgendwie merkwürdig fand, wenn ich daran dachte. Doch die Frau war bereits weg. Aus den Augenwinkeln ließ ich einen schnellen Blick auf den ausnahmsweise einmal schlafenden Louis fallen – für einen winzigen Augenblick sonnte ich mich im Glanz meines stillen, wohlerzogenen Kindes.
    Vor einem großen Plakat mit einer Darstellung von Adam und Eva im Paradies fielen sich zwei junge Leute in die Arme und herzten einander unter den Augen eines nackten Adams und einer ebenso unbekleideten Eva. Einen Augenblick lang fragte ich mich, ob dies wohl Freunde oder eher Liebende waren – bis der hübsche Junge mit dem Wuschelkopf seine Hand in den Satin-Rockbund des stämmigen Mädchens gleiten ließ. Mit einem freudigen Seufzer wand sie ihren Körper um ihn, wie die Schlange den Apfelbaum umschlingt.
    Meine Gedanken wanderten zur letzten Nacht zurück beziehungsweise zu den frühen Morgenstunden des heutigen Tages, und ich lächelte wieder, dieses Mal über mich. Eine gewisse Scheu überkam mich, als ich daran dachte, wie Mickeys Hand heute Morgen ruhig und fest auf mir gelegen hatte – zum ersten Mal seit Monaten. Ich sah mich nach meinem Mann um. Vielleicht war es das ja. Vielleicht würde wirklich wieder alles so, wie es vorher gewesen war. Ich atmete tief ein und strich mir das Haar aus dem Gesicht. Vielleicht, so dachte ich, würde ich endlich aufhören, mir wie eine Schauspielerin vorzukommen. Zumindest hoffte ich dies inständig. Ich sah wieder mein Baby an, und mein Herz tat einen Sprung. Was ihn anging, gewann ich mit jedem Tag mehr Sicherheit.
    Ich musterte die miese Zeichnung, die ich von Louis gemacht hatte, der großen Auges auf all die Lichter starrte, doch wie von selbst rückte Mickeys Kuchenteller ins Zentrum meiner Aufmerksamkeit. Mickey war immer noch nicht von seinen Erkundungen zurück. Hatte er nicht etwas von »Toilette« gemurmelt? Und so legte ich mein Notizbuch zur Seite und fiel nochmals über seinen Kuchen her. Mit heftiger, wenn auch mit Schuldgefühlen durchmengter Gier hieb ich meine Zähne in die dicke Schokoladenglasur, als sie unerwartet ihre Hand auf meine schmerzende Schulter legte.
    Mein Gott, wie bin ich zusammengefahren! Ihre Haut war so kalt, dass es sich seltsam anfühlte, wie ein Brennen, das ich durch die Baumwolle meines

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