Morgenrötes Krieger
eines unauffälligen Gebäudes, dessen Größe und Umfang wegen der Dunkelheit und dem bescheidenen Erscheinungsbild der Vorderseite nicht auszumachen waren. Innen machte es den Eindruck einer Mischung aus Regierungs-, Militär- und Verwaltungszentrale, wobei es nach hinten eine kaum zu schätzende Ausdehnung besaß und zu Hans Überraschung erstaunlich komfortabel ausgestattet war, wenn auch etwas spartanisch im Dekor.
„Dies hier“, meinte Hatha mit einer ausladenden Geste, „sind meine Privatgemächer. Wir werden euch zwei vorerst in meiner unmittelbaren Nähe unterbringen – später könnt ihr euch auf Dauer einrichten.“
„Steht das ganze Lager unter deinem Befehl?“ fragte Liszendir.
„Nein, durchaus nicht. Ich gehöre zur höheren Triade. Ich bin so etwas wie ein Außenminister. Ha! Ein Posten, den ich schon seit langem innehabe; in der Praxis jedoch bin ich schon seit Jahren nicht mehr auf einen bestimmten Arbeitsbereich festgelegt.“
Hatha führte sie in einen kleinen Salon und bedeutete den Wachtposten unauffällig, sich zurückzuziehen. Han hatte den leisen Verdacht, daß sie dennoch in Reichweite blieben und beim kleinsten Zeichen seinerseits aus irgendeiner Türöffnung springen würden. Hatha machte es sich im Sessel bequem, während Han und Liszendir stehenblieben.
„Wie ich schon sagte, wollen wir jetzt über das Geschäft sprechen. Setzt euch! Macht es euch bequem und fühlt euch wie zu Hause. Ich merke, daß die Bedingungen eures … äh … Dienstes vielleicht nicht ganz euren Erwartungen und eurem Ehrgeiz entsprechen. Aber der äußere Rahmen spielt keine Rolle. Wir tun, was wir können. Dasselbe erwarte ich von euch. Nun denn, ans Werk! Wir haben noch viel vor uns.“
Liszendir setzte sich in einen anderen dickgepolsterten Sessel. „Soweit ich das beurteilen kann, werde ich grau und alt sein, bevor ich all jenen hier die nötige Kampfausbildung beigebracht habe.“
„Nein, nein – nicht so! Nicht alle, nur eine kleine Elite. Ich glaube schon, daß du das meiste in einem Jahr schaffen kannst.“
„Selbst dann wäre es doch besser, zuerst einige Trainer auszubilden, die später den anderen ihr Wissen und Können weitergeben. Das Ganze käme schneller voran.“
„Du glaubst gar nicht, wie klein die Gruppe ist. Sie entspricht genau deinen Vorstellungen. Du weißt ja, wie gefährlich deine Waffen sind. Deshalb wünschen wir auch nicht, daß dieses Geheimwissen zu sehr die Runde macht. Nein, nein, nur eine kleine Gruppe. Ich werde sie dir vorstellen und deine Beurteilungen auf jeden Fall respektieren. Falls sie nicht geeignet sind, dann sag es ruhig! Ich bin ein Verfechter von Klassenprivilegien; kein Wunder übrigens, denn einer, der sie besitzt, würde wohl kaum anders reden. Nur wer sie nicht besitzt, schätzt sie gering! Ich beuge mich ganz dem Urteil von Erfahrung und Wissen. Freundschaft und persönliche Gunstbezeugungen … nun, das sind recht angenehme Dinge, wenn sie auf einen bestimmten Bereich beschränkt bleiben: zu Hause, bei kleinen Geschäften oder in der unteren Verwaltung; aber dort, wo es darauf ankommt, muß man auf Kenntnisse und Fähigkeiten bauen, nicht auf Ehrgeiz und Beziehungen. Ich kann dir versichern, Liszendir, daß du bis zu deiner Fruchtbarkeit alles hinter dir hast. Als Belohnung für den erfolgreichen Abschluß deiner Bemühungen kannst du dir natürlich einen beliebigen Partner aus der Horde aussuchen. Ich hoffe, du hast mich verstanden? Die freie Wahl ist ein Resultat der sozialen Stellung und diese wiederum das Ergebnis erfolgreicher Taten.“
Liszendir schaute während Hathas kurzer Ansprache ein wenig verwirrt drein und zeigte auch keine freudige Reaktion auf die in Aussicht gestellten Entscheidungsmöglichkeiten. Han hingegen mußte einige Zeit über das Gesagte nachdenken. Freie Wahl, in der Tat! In ihrem System war die freie Wahl eher tödlich für die Gesamtrasse, konnte sie sogar allesamt ins Verderben stürzen. Wichtiger aber war das, was Liszendir nicht sehen und begreifen konnte, weil sie keine Politikerin war. Hatha ging es um weit mehr als nur um die Eroberung des inneren Universums zum Ruhme der höheren Triade – was immer das auch sein mochte. Zuerst und vor allem kämpfte er um seine Machtposition innerhalb der Kriegerklasse, wobei er den Hintergedanken hatte, die von Liszendir ausgebildete Elitetruppe gegen die eigenen Leute einzusetzen. Und noch mehr steckte dahinter: Die Gruppen, die die Spitzenautorität umgaben, mußten
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