Morgenrötes Krieger
Eroberer der Geschichte denken. Speziell an jene Epoche, als die Völker – Ler und Menschen – auf einem einzigen Planeten zusammenlebten. Eroberer gab es nur wenige im All, denn selbst mit einem Überraum-Antrieb waren die Entfernungen zu groß, die Nachrichtenwege zu lang, die Materiallasten zu schwer. Womit war die Situation hier auf Morgenröte dann noch zu vergleichen? Timur Lenk mit Atomwaffen? Ein Hitler mit Raumschiffen? Oder vielleicht ein Darius mit jenen komischen Maschinen, die nach dem Prinzip des Bernoullischen Gesetzes arbeiteten, um sich so in der Atmosphäre bewegen zu können – wie war noch das Wort? Ach ja! Flugzeuge! Richtig. Gäbe man ihnen aber nur die stark vereinfachten Pläne, so wären die Benutzer dieser Maschinen niemals in der Lage, sie praktisch umzusetzen oder die vorhandenen selbständig zu reparieren. Einmal verbraucht, wäre kein Ersatz da, so daß jede Weiterentwicklung an eine notwendige Grenze stieße. Besser noch: Man bringt ihnen nur das Nötigste bei und achtet darauf, daß sie nicht die Theorie erfassen. Aber diese Leute hier auf Morgenröte waren Ler! Eigentlich hätten sie großartige Theoretiker sein müssen. Was war hier geschehen? Was auch immer es gewesen sein mochte, es war weder simpel noch jüngeren Datums – eher ein allumfassendes Rätsel, das seine Wurzeln tief in der Vergangenheit hatte, vielleicht bis hinunter zur halblegendären Sanjirmil.
Aber er hatte keine Gelegenheit mehr, den Gedanken weiterzuspinnen. Hatha sagte zu ihm: „Schalte ab! Wir steigen aus.“
Han durchlief die Desaktivierungssequenz mit nur schwer zu dämpfendem Widerwillen. Dann erhob er sich von seinem Pilotensitz und ging mit den anderen hinaus in die Kälte des Abends.
Von draußen und aus nächster Nähe war die Hammerhand noch beeindruckender oder besser: bedrückender. Gewaltig erhob sich der pockennarbige Metallkoloß zu wolkenverhangenen Höhen. Die Fähren parkten dicht bei dicht aufgereiht vor ihm auf dem Boden, während die Meteoriten, mit denen er in den Kampf zog, in achtloser Unordnung herumlagen – riesige Nickel-Eisen-Blöcke, bedeckt mit einer dichten Rostschicht, die durch langes Lagern in einer sauerstoffreichen Atmosphäre entstanden war. Han hoffte nur, daß niemand auf Morgenröte auf einen Kompaß angewiesen war, da bei all dem Eisen ein sinnvoller Gebrauch völlig ausgeschlossen war – und das auf Tausende von Meilen im Umkreis. Absurde Idee, da doch nur Seeleute Magnetnadeln benutzten. Auf Morgenröte orientierte man sich an Landmarken. Theoretisch wäre es dennoch möglich. Als er seine Messungen durchgeführt hatte, war ihm aufgefallen, daß der Planet ein enorm starkes Magnetfeld besaß – das stärkste, das er je gesehen hatte. Dies war auch notwendig, da andernfalls die Strahlungsintensität und die Partikelemission der heißen Sonne ihre instabilen Ler-Gene ganz schön in Unordnung gebracht hätten. Ja, und … Er ließ den Gedanken für dieses Mal unvollendet. Es galt, noch weitere Informationen zu sammeln.
Han richtete seine Aufmerksamkeit nun auf die umliegende Gegend. Es war klar, daß sie sich weiter südlich befanden, denn der Winter machte sich mit strenger Kälte deutlich bemerkbar. Überall in der zunehmenden Dunkelheit bestrich das restliche perlmuttfarbene Licht der weit im Norden stehenden Sonne die verstreut über der Ebene liegenden Zelte, Schuppen und verschiedenartigen Wohnkomplexe; eine Stadt, die eigentlich keine war – eher eine großflächige und bunt gemischte Ansammlung von Gebäuden; ein ungastlicher Ort, aus dem man als Ler sicherlich über Nacht unbemerkt verschwinden konnte. Er hatte keine Ahnung, wie die Menschen hier lebten.
Hatha griff seinen Gedanken auf. „Wir befinden uns auf der Pannona-Ebene. Wenn uns der Platz nicht mehr gefällt, so ziehen wir weiter – manchmal ein ziemlich weites Stück, manchmal auch nur einige Meilen. Einige bleiben an Bord des Schiffes, die anderen gehen zu Fuß. Natürlich haben wir überall in diesem Teil von Morgenröte feste Siedlungsplätze, und im Augenblick gefällt es uns hier ganz gut. Wir hängen an diesem Ort.“
„Ich muß zugeben, daß mich der Anblick stark beeindruckt“, meinte Han im Brustton der Überzeugung.
In der Dämmerung konnte man zwischen den schrägen blau- und purpurfarbenen Gebäudeschatten Leute beider Volksgruppen erkennen. Einige waren offensichtlich Krieger. Doch Genaueres war nicht festzustellen. Sie marschierten durch die Kälte hinüber zur Front
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