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Morgens um sieben ist die Welt noch in Ordnung

Morgens um sieben ist die Welt noch in Ordnung

Titel: Morgens um sieben ist die Welt noch in Ordnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Malpass
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Marigold sah und... Gaylord. Aber ich brauchte dich, damit es mir bewußt wurde.»

25
     
    Es war ein prächtiger Herbst. Er wartete mit allem auf: mit Morgen, deren weißer Dunst sich wie ein Brautschleier durchs ganze Tal zog; mit ruhigen, heißen, honiggoldenen Mittagsstunden; mit Nachmittagen, deren Stille nur vom Fall der Kastanien unterbrochen wurde; und mit Abenden, an denen der Mond wie eine Melone auf die Liebenden herablächelte, auf die wachsame, helläugige Maus und den sicheren Flug der Eule. Mit Tagen, an denen das Vieh zufrieden und schwanzwedelnd im knietiefen Wasser des Flusses stand. Der dumpf-faulige Geruch des Flusses, der sich mit dem bitteren Duft der Nesseln vermischte, würde Gaylord sein Leben lang unvergeßlich bleiben. Gaylord war nämlich wieder nach Hause zurückgekehrt. Ein bißchen bleicher, ein bißchen ruhiger, ein bißchen matter. Aber seine körperliche Schwäche wurde durch ein neues Gefühl des Stolzes aufgewogen. Paps war wenig mitteilsam gewesen, trotzdem hatte Gaylord einen großen Teil der Geschichte Steinchen für Steinchen zusammengetragen; und den Rest hatte seine Phantasie ergänzt. Er war höchst befriedigt, daß die Polizisten das Haus und den Steinbruch wie die Fliegen umschwirrt hatten. Mit den Foggertys hatte sich das Gericht beschäftigt, und nach Gaylords Meinung mußten sie viele Jahre hinter Gittern zubringen. Und schließlich war es doch eine tolle Sache gewesen, daß ein Foggerty-Stiefel seinen Arm so zugerichtet hatte und er fast daran verblutet wäre. Und nur den Bemühungen des gesamten Krankenhauspersonals, so malte es sich Gaylords Phantasie aus, war es zu verdanken, daß er am Leben geblieben war.
    Er hatte noch einen weiteren Grund, stolz zu sein. Jetzt hatte er eine kleine Schwester, jemanden, der jünger war als er. Er galt nicht mehr als das kleinste Lebewesen in der Familie»
    «Kann ich das Baby mal sehen?» fragte er, sobald sie nach Hause gekommen waren.
    Doch er begutachtete den Neuankömmling ohne Begeisterung. Unter Schwester stellte er sich etwas mit Pferdeschwanz und Springseil vor, aber nicht so ein runzeliges, altersloses Etwas. «Hat aber nicht viel Haare», sagte er. «Bist du auch ganz sicher, daß es ein Mädchen ist?»
    «Ganz sicher», sagte Mummi.
    Das war wieder typisch für sie. Nie irgendwelche Zweifel. Aber Gaylord beschloß, mit seinem Urteil noch zurückzuhalten. Es sollte ihn nicht überraschen, wenn sich das Baby doch noch als ein Junge entpuppte, auch wenn Mummi ihrer Sache so sicher war.
    Aber Mummi sagte sehr ernst: «Auch du bist jetzt für sie mitverantwortlich, Gaylord. Du mußt sie behüten und vor jeder Gefahr beschützen.»
    Das war ja alles ganz schön, dachte Gaylord, aber kein Mensch hatte ihn schließlich gefragt, ob er eine Schwester haben wollte. Überhaupt nicht. Und jetzt sollte er natürlich die Verantwortung für sie übernehmen.
    «Ich glaube, ich gehe raus», sagte er.
    «Kann ich mitkommen?» fragte Paps.
    «Aber ja. Natürlich», sagte Gaylord großmütig.
    Sie gingen beide in den Sonnenschein hinaus. Paps sagte: «Laß uns auf die obere Wiese gehen, dort setzen wir uns in die Sonne.» Sie machten sich auf den Weg. Gaylord kam sich sehr sicher, sehr erwachsen vor. Es war zur Abwechslung doch etwas Schönes, daß es zu Hause noch jemand Jüngeren gab als ihn. Vielleicht würde Mummi ihn jetzt mit etwas mehr Respekt behandeln.
    Sie stiegen den Hang zur Wiese hinauf. Gaylord legte sich hin, die Beine weit ausgestreckt, während Paps sich im Schneidersitz im Gras niederließ und sich in die heilige Handlung vertiefte, seine Pfeife zu stopfen und in Brand zu setzen. Dann steckte er die Streichhölzer wieder in die Tasche, hob einen Fallapfel auf und warf ihn seinem Sohn hinüber.
    Jocelyn paffte an seiner Pfeife und genoß die warme Sonne auf seinem Gesicht und den bloßen Unterarmen. Das Summen der Bienen war so süß wie ihr Honig. Gaylord mampfte genießerisch seinen Apfel und genoß einen langen heißen Nachmittag der Kindheit. Jocelyn verspürte eine seltsame innere Leichtigkeit, fast, als stünde er neben sich und betrachtete diesen Jocelyn Pentecost. Er schaute seinen Sohn an, wie er - mit der ganzen Hingabe seiner Jugend - hingestreckt in der Sonne lag und mit seinen kräftigen Zähnen in das Fleisch des Apfels biß.
    Der wird sich schon machen, dachte Jocelyn. Die Wunden des Körpers sind verheilt, und seelisch hatte er Gott sei Dank keinen Schaden davongetragen; wenn er jetzt vielleicht auch ein

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