Mr Pink Floyd
dass Roger leidenschaftlicher Anhänger der Science-Fiction war, aber wie’s der Zufall will, hat er all die guten Sachen in dieser Richtung nur gemacht, solange Syd da war. 1973 spielte ich eine Coverversion von See Emily play ein: Ich sei sogar noch barrettianischer gewesen als Barrett, hieß es, und natürlich war auch von Vampirismus die Rede. Auch neulich habe ich für die Tour ON AN ISLAND zusammen mit Gilmour Comfortably numb gesungen, Rogers Part, meine ich, und Dave sagte, ich hätte den Song dermaßen vampirisch interpretiert und ihn so für mich vereinnahmt, dass ihn alle für die Originalversion gehalten hätten. Spontan kam mir die Frage, warum Roger nach so vielen Jahren, in denen sie Syd zum Vampir stilisiert hätten, nicht zum
gleichen Ergebnis wie ich gekommen sei und er, obwohl wir gleichaltrig seien, wie mein Vater aussehe. Er erwiderte mit einer wahrhaft grauenvollen Frage: »Hast du Roger in der letzten Zeit mal gesehen?«
NEUNUNDVIERZIGSTE ZEUGENAUSSAGE
Michel Rémy (2)
Will Dave mit der Unterscheidung zwischen Malerei und Architektur in der Geschichte von Pink Floyd möglicherweise eine zweite architektonische Hälfte – die in THE WALL gipfelte – von einer ersten visionären Hälfte unterscheiden, die stärker dem Geiste Syds verhaftet ist?
Ein intelligenter Mensch wie er müsste allerdings wissen, dass Nebel, Laser und all das, was die ersten Lightshows ausmachte, nichts anderes als Formen von Architektur waren: Und nicht nur das, sie waren bereits Formen von Mauern, Leinwände zwischen Band und Publikum. Und Mike Leonard, war er nicht Architekt? Auch das Geräuschkontinuum, das in DARK SIDE einen Song mit dem anderen verbindet, ist Architektur, ebenso die Interaktion mit den Grafiken von Storm, daher ist THE WALL das zentrale Werk von Pink Floyd , während die »progressive« und virtuell endlose Improvisation in ATOM aus der Scheibe eher einen belanglosen Zwischenfall macht: aus ATOM, ja, und ich wage zu behaupten, auch aus Interstellar overdrive … Das würde genügen, um in Roger den Wegweiser der Band zu sehen, aber es geht noch weiter. Roger hat für THE WALL nicht nur die Strukturen geliefert, er hat auch den Flow hereingebracht, damit die Interaktion aus Lyrics, Musik, Bühnenbild, Choreografie, Filmsequenzen, Animationen und dramatischem Spannungsbogen seine Architektur mehrdimensional werden lässt, ich würde sogar synästhetisch-kubistisch sagen, mit einer symbolischen Sättigung und einer Befreiung
des Unbewussten, die unmittelbar proportional zur Strenge der gesamten Operation standen. Ich gebe euch bloß einen kleinen Tipp, allerdings leider nicht, was die Aufführung angeht: Hört euch noch mal die Scheibe an und achtet auf den Gegensatz zwischen Musik, Dauer, Geometrischem, nämlich alles rhythmisch gesehen mehr als kontrolliert, und der Stimme, die sehr häufig kippt und zerbrechlich ist und im Konflikt mit dieser Musik steht. Ist diese disharmonische Stimme nicht die Stimme ihres Ursprungs? Ist es nicht Syds Stimme?
FÜNFZEHNTES DOKUMENT
Protokoll von Borough of Islington, Sitzung vom 22. Oktober 1979
[omissis] Das Wort hat Winston Dundee, Kommissionsbeauftragter für schulische Angelegenheiten. Mister Dundee fragt die zuständigen Behörden, ob es stimmt, dass am 11. Oktober 1979 eine nicht identifizierte Person dreiundzwanzig Kinder aus der Islington Green School mit Sitz in der Prebend Street 1 geholt und sie nach circa zwei Stunden wieder zurückgebracht habe. Er fragt des Weiteren, welchen Zweck diese Handlung verfolgt und welcher Vertreter der Lehranstalt sie bewilligt habe. Es ergreift daraufhin der Abgeordnete des Schulwesens, Lawrence Shenectady, das Wort, der die Aussage bestätigt und den Musiklehrer Vernon Renshaw als Verantwortlichen angibt, der die Kinder dem Unbekannten anvertraut habe. Anschließend sagt er, dass der Lehrer Renshaw aufgrund der Tatsache, den Direktor nicht benachrichtigt zu haben, auf unbestimmte Zeit seines Amtes enthoben worden sei. Was den Zweck der Handlung betrifft, sei ermittelt worden, dass die Kinder in ein Tonstudio mit Sitz in der angrenzenden Britannia Road Nummer 35 geführt worden seien und dort gemeinsam ein Lied gesungen hätten. Das Aufnahmestudio sei auf den Namen einer Musikgruppe, bekannt als Pink Floyd , gemeldet [omissis]. Mister Dundee ergreift erneut das Wort, um die Versammlung zu fragen, ob sie den Tatbestand für angemessen halte, um ein Verfahren gegen die Gesellschaft Pink Floyd einzuleiten. Es
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