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Mr. Shivers

Mr. Shivers

Titel: Mr. Shivers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Jackson Bennett
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ihm war klar, dass die Ernte nicht überleben würde.
    Die beiden jüngeren Männer gingen voraus, und der eine sagte: »Warum hauen diese blöden Hurensöhne nicht einfach ab?«
    »Wo sollen sie denn hin?«, fragte der andere.
    »Es ist überall besser als hier.«
    »Also, ich finde, es sieht wie zu Hause aus. Aber trotzdem fühle ich mich nicht wohl hier.«
    »In Rennah wird es anders sein«, sagte sein Freund. »Wart’s nur ab.«
    Der Grauhaarige ließ sich zu Connelly zurückfallen. »Wollen Sie auch dorthin? Wollen Sie nach Rennah?«
    Connelly nickte.
    Der Grauhaarige schüttelte den Kopf, schlug sich mit dem Hut in den Nacken. »Ist Ihre Beerdigung. Dort wird es nichts geben, das wissen Sie doch, oder?« Dann flüsterte er vertraulich: »Die Burschen da, das sind Idioten. Sie sind auf den Zug aufgesprungen, weil sie gehört haben, dass es dort Arbeit gibt, aber die gibt es nicht. Da muss man noch viel weiter, das sage ich Ihnen. Vielleicht im Süden, vielleicht im Westen. Klar?«
    »Ich suche keine Arbeit«, sagte Connelly.
    »Warum, zum Teufel, sind Sie dann unterwegs?«
    Connelly neigte den Kopf und zog die Mütze tief ins Gesicht. Der alte Mann ließ ihn zufrieden.
    Die Sonne nahm ein dunkles, krankhaftes Rot an, als sie der Erde entgegensank. Selbst der Himmel hatte einen roten Schimmer. Er sorgte für einen seltsamen, höllischen Anblick. Daran war nur die Dürre schuld, das sagten alle. Sie schleuderte Dreck in die Luft. Berührte den Himmel damit. Connelly war sich da nicht so sicher, obwohl er keinen Grund dafür benennen konnte. Vielleicht war es etwas anderes. Das oberflächliche Symptom einer größeren Krankheit.
    Er zählte im Geiste die Tage nach und kam zu dem Schluss, dass seit seinem Aufbruch in Memphis mehr als drei Wochen vergangen waren. Dann zählte er seine Dollars und schätzte, dass er etwas mehr als drei ausgegeben hatte. Wenn er sein Geld weiterhin in diesem Tempo verschleuderte, würde er nicht mehr weit kommen. Und er musste noch viel weiter. Der Mann hatte mindestens eine Woche Vorsprung. Es war unwahrscheinlich, dass er sich in Rennah aufhielt. Aber er war dort gewesen, und das war alles, was Connelly brauchte.
    Ganz nahe, sagte er sich. Ich bin nahe dran. Ich bin jetzt ganz nahe dran.
    »Die Stadt liegt in dieser Richtung«, sagte einer der Männer und zeigte auf ein paar Rauchsäulen am Horizont.
    Der alte Mann betrachtete die spindelähnlichen Striche, die sich vor dem Sonnenuntergang abzeichneten. »Das ist nicht die Stadt«, sagte er.
    »Nein?«
    »Nein. Das sind Lagerfeuer.«
    Die Männer sahen sich wieder an, dieses Mal besorgt. Connelly war nicht überrascht. Er wusste, dass sie damit gerechnet hatten, ob sie es nun zugaben oder nicht. Für viele war das das Gleiche wie die Stadt, die sie gerade verlassen hatten.
    Connelly roch es, bevor er es sah. Verfaultes Feuerholz und Zigarettenrauch, Exkremente und fauliges Wasser. Seuchengestank, der Gestank eines Schlachtfelds. Dann hörte er Hundegebell und Kindergeschrei, das misstönende Lied von Töpfen und Pfannen und alten Motorenteilen und besoffenen Melodien. Dann kam es endlich in Sicht. Die Männer beschatteten die Augen und betrachteten das Lager vor ihnen, sahen schiefe Kistenstapel zwischen Schluchten aus sich duckenden Zelten. Menschen so klein wie Pünktchen wimmelten zwischen ihnen umher. Ein breiter, schmieriger, grauschwarzer Flecken inmitten weißgoldener Felder. Dort mussten mindestens hundert Menschen sein. Mindestens.
    »Mein Gott«, sagte der eine Mann.
    »Und ob«, sagte der andere.
    »Ich glaube kaum, dass es da unten viel Arbeit gibt.«
    »Nein, das glaube ich auch nicht.«
    »Ich hab’s euch ja gesagt«, sagte der Grauhaarige leise. »Hab’s euch ja gesagt.«
    Connelly und die Männer trennten sich voneinander. Die Männer gingen weiter und kamen zur Grenze des Lagers. Ein paar der dort versammelten Menschen besaßen Zelte und andere ein Auto, und wiederum andere besaßen überhaupt nichts, trieben zwischen den zerlumpten Behelfsbauten herum wie Abfall, der flussabwärts strömte und hängen geblieben war. Sie sahen zu den Neuankömmlingen herüber, viel zu erschöpft für echte Feindseligkeit. Die Männer lösten sich aus ihrer Gruppe und verfingen sich in den Netzen des Lagers, sickerten in die Masse der verdreckten Lagerbewohner, um einen Platz zum Sitzen oder an einem Feuer zu finden. Sie ließen sich nieder und plauderten und warteten auf die Nacht und die nächste Morgendämmerung. Mittlerweile

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