Mrs Murphy 03: Mord in Monticello
reiten.«
Kimball lächelte. »Tu ich gar nicht. Pferde sind mir zu groß.«
»Aber woher wissen Sie das dann? Nicht mal die meisten Reiter kümmern sich groß um Hufeisen und Beschlagen. Sie lernen nichts darüber.« Susan, eine passionierte Reiterin, die es wichtig fand, dass man sich in allen Aspekten der Pferdepflege auskannte und nicht einfach nur auf den Rücken des Pferdes sprang, war ungeheuer neugierig.
Er streckte die Hände aus. »Ich habe einen Fachmann gefragt.«
»Wen?«
»Dr. O’Grady.« Kimball lachte. »Aber ich musste trotzdem noch herumtelefonieren und in Bibliotheken nachforschen, ob sich bei Hufeisen im Laufe der Jahrhunderte sehr viel geändert hat. Sehen Sie, das liebe ich so an dieser Arbeit. Nein, Arbeit ist nicht das richtige Wort, es ist ein magischer Weg, gleichzeitig in der Vergangenheit und der Gegenwart zu leben. Ich meine, die Vergangenheit durchdringt stets die Gegenwart, sie ist immer bei uns, im Guten wie im Schlechten. An dem zu arbeiten, was man liebt – das ist die höchste Freude.«
»Es ist wundervoll«, stimmte Harry ihm zu. »Ich möchte nicht behaupten, dass das, was ich mache, so erhaben ist wie Ihr Beruf, aber ich mag meine Arbeit auch, ich mag die Menschen, und vor allem mag ich Crozet.«
»Wir haben Glück gehabt.« Susan wusste nur zu gut, welchen Tribut Unzufriedenheit fordern kann. Sie hatte gesehen, wie ihr Vater sich zur Arbeit schleppte, die er hasste. Sie hatte ihn verkümmern sehen. Er hatte so große Mühe damit gehabt, seine Familie zu ernähren, dass er es versäumt hatte, bei seiner Familie zu sein. Susan hätte lieber weniger Sachen und dafür mehr von ihrem Dad gehabt. »Hausfrau und Mutter zu sein mag ja nicht nach viel aussehen, aber es war genau das, was ich wollte. Ich würde nicht eine Minute der ersten Jahre missen wollen, als die Kinder klein waren. Nicht eine Sekunde.«
»Dann sind sie es, die Glück gehabt haben«, sagte Harry.
Kimball, der ihr stumm beipflichtete, zog eine Schublade auf und nahm eine Porzellanscherbe mit einem blassblauen Muster auf grauem Hintergrund heraus. »Das habe ich vorige Woche in Hütte Nummer vier gefunden.« Er drehte die Scherbe um, auf der Rückseite war eine Ziffer zu erkennen. »Ich bewahre sie hier auf, um damit herumzuspielen und mir dabei meine Gedanken zu machen. Wie kam dieses Stück feines Porzellan in eine Sklavenhütte? War es schon vorher zerbrochen? Hat die Bewohnerin der kleinen Hütte es selbst zerbrochen – wir wissen, wer in Hütte Nummer vier gewohnt hat – und aus dem Herrenhaus mitgenommen, um das Missgeschick zu vertuschen? Oder sind die Dienstboten, wenn Sie mir den Euphemismus verzeihen, direkt zum Herrn gegangen, haben den Schaden gebeichtet und sind mit den Bruchstücken belohnt worden? Oder aber hat die Sklavin es einfach nur genommen, um etwas Schönes zu haben, das sie sich ansehen konnte, um etwas zu besitzen, das einem reichen Weißen gehörte, um sich für einen Moment als Angehörige der herrschenden statt der beherrschten Klasse zu fühlen? Fragen über Fragen.«
Susan hob die Hand. »Ich habe eine, die Sie beantworten können.«
»Schießen Sie los.«
»Wo ist hier die Toilette?«
5
Larry Johnson hatte sich an seinem 65. Geburtstag zur Ruhe setzen wollen. Drei Jahre bevor er das Pensionsalter erreichte, hatte er einen Partner in seine Praxis aufgenommen, Dr. med. Hayden McIntire, damit die Bewohner von Crozet sich an einen neuen Arzt gewöhnen konnten. Mit 71 Jahren praktizierte Larry immer noch. Er sagte, er könne die Langeweile des Ruhestandes nicht ertragen. Wie die meisten in einer anderen Zeit ausgebildeten Ärzte war er Mitglied der Gemeinde, nicht irgend so ein hochgestochener Außenseiter, der gekommen war, um den Kleinstädtern mit seinem überlegenen Wissen zu imponieren. Larry kannte auch die Geheimnisse: wer abgetrieben hatte, bevor Schwangerschaftsabbruch legal wurde, welche braven Bürger Syphilis gehabt hatten, wer heimlich trank, in welchen Familien eine Veranlagung zu Alkoholismus, Diabetes, Wahnsinn, sogar Gewalttätigkeit bestand. Er hatte im Laufe der Jahre viel gesehen, und er verließ sich auf seinen Instinkt. Es war ihm ziemlich egal, ob das wissenschaftlich schlüssig war, und eine der Lektionen, die Larry gelernt hatte, war die, dass es tatsächlich so etwas gibt wie böses Blut.
»Lesen Sie die Zeitschriften, bevor Sie sie in unser Fach legen?« Der Doktor blätterte im New England Journal of Medicine, das er soeben aus seinem
Weitere Kostenlose Bücher