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Multi Kulti Deutsch - wie Migration die deutsche Sprache verändert

Multi Kulti Deutsch - wie Migration die deutsche Sprache verändert

Titel: Multi Kulti Deutsch - wie Migration die deutsche Sprache verändert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Hinrichs
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Sprachwandels.)
    Mit der Zeit verfestigen sich die neuen Formen zwanglos im Gebrauch. Dies würde Keller einen Trampelpfad nennen, gebahnt von der Unsichtbaren Hand oder dem Unsichtbaren Mund , dem mit der Zeit immer mehr Sprecher folgen und den sie durch ständige Wiederholung mehr und mehr festtreten. Die Metapher der Unsichtbaren Hand sagt, dass der ganze Prozess ohne sichtbare Intention abläuft, d.h. es gibt keine Instanz, die ihn jemals vorgezeichnet hätte oder kontrollieren würde. Man könnte auch sagen, dass der Prozess unbewusst abläuft, und zwar aus dem einfachen Grund, weil er nicht bewusst ablaufen kann .
‹Fehler› und Sprachwandel
    Ein bekanntes Wort von Rudi Keller (2004) sagt: «Was wir als Sprachverfall wahrnehmen, ist der allgegenwärtige Sprachwandel, aus der historischen Froschperspektive betrachtet. Wir beobachten die Sprache durch ein schmales Zeitfenster und erkennen (…) jede Menge Fehler und Barbarismen .» Und er sagt weiter, auch dies ein bekanntes Zitat, dass die Fehler von heute die Sprachgewohnheiten und Regeln von morgen sein werden. Genau das spielt sich, sozusagen im Zeitraffer, jetzt im Deutschen ab. Dreißig bis vierzig Jahre sind für systematischen Sprachwandel eine extrem kurze Zeit und es ist dieser besondere Zeitfaktor, verbunden mit dem Faktor ‹viele Fremdsprachen›, der die deutsche Situation so deutlich charakterisiert. Wir halten Rudi Kellers Satz fest:
    Â«Die systematischen Fehler von heute sind mit hoher Wahrscheinlichkeit die neuen Regeln von morgen.» (Rudi Keller)
    Jede Sprachveränderung beginnt danach mit etwas, das aus der Froschperspektive (oder aus der Sicht der Sprachpflege) wie ein Fehler aussieht – weil das Sprachwissen und das Sprachgefühl darauf (noch) nicht eingestellt sind. Irgendwann in den 1980er oder -90er Jahren hat irgendjemand, ein Migrant oder ein Deutscher, mit oder ohne Migrationshintergrund, zum ersten Mal eine neue Form gebraucht (vielleicht mit de n Präsident _) oder jemand hat es akustisch nur so verstanden , irgendwann war es das erste Mal und irgendwann ist es dann in dieser Form wiederholt worden und weiter wiederholt worden, und irgendwann hat es sich auf andereFormen ausgeweitet (und sich langsam als ein neues Modell durch die community hindurchgearbeitet).
    Zu Anfang war das ein ‹Fehler›. Wenn die traditionelle Sprachpflege diese Redeweise gebraucht, weist das auf das dahinterstehende Bewusstsein in der Bevölkerung hin: Es ruht auf der Illusion der Unverrückbarkeit der Muttersprache, ist auf den Standard und den Schulunterricht fixiert und von allerhand Mythen und Ressentiments bestimmt. Weil der Durchschnittsbürger nicht dynamisch zu denken gewohnt ist, sondern eher auf den Status quo fixiert ist, hat er heute den Eindruck, dass auf das Deutsche in historisch sehr kurzer Zeit relativ viele ‹Fehler› (im Keller’schen Sinne) gekommen sind. Und neu ist auch: In Deutschland werden die latent vorhandenen Potenzen der Grammatik durch intensive neue Sprachkontakte und unter dem massiven Einfluss vieler Fremdsprachen aktiviert und angeschoben, und dies alles geht nicht nur schneller vor sich als in früheren Zeiten, sondern sehr viel schneller und in einer unabsehbar beschleunigten Dynamik. Wenn wir deutsche Zeitfenster in Bezug auf Neuerungen vergleichen würden, sagen wir eines um 1812 und eines um 2012, brauchten wir heute nicht nur ein Fenster, sondern eine ganze Fensterfront.
    Niemand kommt deshalb darum herum, die Entstehung und die schnelle Verbreitung neuer Formen (‹Fehler›) im Rahmen von Migration und neuen Mehrsprachigkeiten zu sehen. Man mache nur den Test und verfolge eine politische Talkrunde mit einer international gemischten Journalistenrunde. Man wird die neudeutschen Novitäten von allen Teilnehmern wie auf dem Präsentierteller vernehmen können. Wir haben schon wiederholt gesagt, dass diese Neuerungen auf der Folie des Standards Vereinfachungen sind, niemand wird das ernsthaft bestreiten. Auch der Wandel des Sprachtypus insgesamt – hin zu mehr ‹analytischen› Strukturen – ist eine große Tendenz hin zu mehr Vereinfachung und Zergliederung, die sich unter den Bedingungen von Migration und Sprachen- Clash durchsetzen will. Natürlich bringen zweisprachige Sprecher mit ihrer doppelten Anderssprachigkeit vermehrt neue Formen in die Sprachenlandschaft – ob nun aus den Herkunftssprachen

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