Mum@work: Roman
spätestens zwei Stunden wird Mäxchen seine Vormittagssiesta machen, und ich kann mich dann ganz entspannt der PR-Arbeit für Better-Media widmen.
Die dekorativ-schlichte Bahnhofsuhr über meinem Schreibtisch zeigt 11:00 Uhr. MESZ natürlich. Und da ist sie: die Stille. Es gibt am Tag einfach keine bessere Zeit.
Max schläft in seinem Zimmer, Mareike studiert im Kindergarten chinesische Schriftzeichen, Tobias bastelt an der Uni an seiner Historiker-Karriere, und ich - ich kann mir unbemerkt eine Milchschnitte aus dem Kühlschrank klauen! Trish und Co. von der BetterMedia-Zentrale in Chicago schlafen noch, und Swapnil und Kollegen in unserer outgesourcten IT-Abteilung im indischen Mumbai haben schon fast Feierabend.
Ich schalte meinen Computer an. Ein Schriftzug fliegt über den sonst noch schwarzen Bildschirm. Das ist neu. Sonst sind es doch immer Schnuller! »Mama, ich hab dich lieb, Meiki«, steht da. Wie auch immer sie das geschafft hat, ich bin wirklich gerührt. Pu habe ich ihr längst vergeben. Ich glaube, es wird ein wunderbarer Tag.
Das Telefon klingelt. »Stein.«
»Kathi, Clemens Malzbecher hier.«
Und schon ist der wunderbare Tag zu Ende. Zu früh gefreut.
»Kathi, hör zu, ich will gleich zum Punkt kommen ...«
Ich halte den Hörer eine Armlänge von meinem Ohr weg. Clemens schreit ganz furchtbar, wenn er sich wichtig fühlt. Also immer. Früher, als wir beide noch bei der Hanse waren, hatte ich sogar das grauenhafte Vergnügen, ihm in einem Zweierbüro gegenüberzusitzen. Sicher hat mich das ein Zehntel meiner Hörfähigkeit und langfristig mindestenszwei meiner Lebensjahre gekostet. Jetzt nervt mich Clemens immerhin nur noch aus der Ferne - auch ein unschlagbarer Vorteil meines Home-Office. Aber dafür nervt er hartnäckig.
Er ist immer auf der Suche nach einem Skandal - ein echt investigativer Journalist. Dass Watergate ohne ihn aufgedeckt wurde - ein Wunder. Tatsächlich hatte er es mal zum Spiegel geschafft. Das war nach unserem Showdown auf der CompNet. Die Sicherheitsleute von Bundeskanzlerin Engel hielten ihn für einen Selbstmordattentäter, dabei hatte er statt Sprengstoff nur eine Banane in seinem Koffer. Er wollte eigentlich auch nur mir das Interview mit der Kanzlerin wegnehmen - sonst nichts.
Also, zum Spiegel ging er nach der Hanse-Übernahme durch Better-Media, die ihn den Job gekostet hat. Allerdings blieb er nicht lange beim Spiegel. Waren wohl doch nicht genügend Affärchen, die er ausgraben konnte. Jetzt ist er jedenfalls bei Computer Heute, und deshalb leider ganz furchtbar an MAMA.Com interessiert.
»Oh, hallo, Clemens. Wie geht's? Was macht das Geschäft?«
»Wie gesagt, ich will gleich zum Punkt kommen.«
»Okay, welche Festplatte brennt denn heute?«
Deine ganz persönliche vermutlich.
»Also, Katharina, von meinen Informanten ...«
Informanten. Wichtig, wichtig!
»... habe ich erfahren, dass es erhebliche Sicherheitslücken und schwerwiegende Pannen bei MAMA.Com, Version 1.2, gibt.«
»Nein, tatsächlich? Wie kommen die denn auf so etwas?«
Eine erste Schnellfahndung auf meinem Computer bringt leider keinerlei Bezifferung wie 1.2 oder so zu Tage. Keine Ahnung, womit ich hier eigentlich arbeite. Wird aber wohl dieselbe Version sein. So viele gibt es ja noch nicht.
»Heißt das, BetterMedia dementiert?«
Clemens dreht noch mal zwei Phon höher.
»Also, BetterMedia ist stets der höchsten Qualität seiner Produkte und der Zufriedenheit seiner Kunden verpflichtet, und ich werde natürlich umgehend im Detail recherchieren, um welche ...«
Bla, bla.
»Kathi, hör zu, ich habe Beweise! Das wird eine Riesenstory.« Natürlich, wie immer.
»Kathi, meine News werden Wellen schlagen, das ist das Ende von dieser DeLuxe-Heuschrecke in Deutschland!«
Heuschrecke? Mein Chef, der mir ein so nettes Büro eingerichtet hat?
Nun ja, Randy hat tatsächlich den einen oder anderen Laden in Deutschland übernommen. Vor der Hanse schon Handy.Com, danach kamen Wireless.Life, Happy.SMS, Tech.Man und schließlich auch in mehreren Portionen den Privatsender TV1. Überall leuchten jetzt in Rosa und Hellblau die MAMA.Com-Schnuller, die BetterMedia kurzerhand zu seinem Konzernlogo in Deutschland erklärt hat: auf dem Titelblatt der Hanse, auf diversen Internet-Portalen sowie Handydisplays, und bei TV1 flimmern sie nun auch über den Bildschirm. Ein paar Unternehmen hat BetterMedia miteinander fusioniert, die halbe Belegschaft entlassen (Synergie-Effekte heißt das in der
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