Murray, Paul
Klirren der Porzellansammlung meiner
Mutter zu hören.
Einen
Augenblick lang herrschte Stille. Draußen heulte der Wind.
»Herrgott,
Charles, was hast du getan?«, sagte Bel und
beugte sich besorgt über die gefällte Bestie.
»Mach dir
keine Sorgen, er atmet noch«, beruhigte ich sie. »Was soll's, er hat nur
bekommen, was er verdient. Einfach so in ein fremdes Haus einzubrechen. Sei
froh, dass du nicht allein hier warst, Bel, schau dir diesen Frankenstein doch
an.«
»Charles«,
stöhnte sie. »Das ist kein...«
»Und ob es
einer ist, ich wünschte, du hättest das nicht mit ansehen müssen. Aber es ist
nun mal eine Tatsache, dass wir in einer Welt leben, die...«
»Halt den
Mund, du Idiot. Das ist kein Frankenstein, das ist Frank - ein Freund, wir
gehen heute Abend zusammen aus.« Sie kniete sich neben das Wesen und betastete
dessen Stirn. »Wenn er noch mal zu Bewusstsein kommt.«
»Oh«,
sagte ich. Durch die Tür sah ich Mary Astor. Sie trug einen Männerhut und
tanzte einen gewagten Charleston. Nicht zum ersten oder letzten Mal wünschte
ich mir, dass ich in den Bildschirm springen und mittun könnte.
»Ist das
alles, was dir dazu einfällt, >Oh.« Sie richtete sich halb auf, um mich
besser beschimpfen zu können. »Weil er mich von diesem dämlichen Vorsprechen
nach Hause fahren wollte, hat sich der arme Kerl extra den Nachmittag
freigenommen, und noch bevor ich ihm einen Drink anbieten kann, fällst du über
ihn her.«
»Ich hab
gedacht, er ist ein Einbrecher«, wandte ich ein. »Ein Einbrecher«, wiederholte Bel.
»Na ja«,
sagte ich. »Da war doch diese Einbruchsserie, und...« Es war unmöglich, ihr das
auf die nette Art beizubringen. »Und er sieht ja nun wirklich wie ein
Einbrecher aus, Bel, das musst du zugeben. Ich meine, schau ihn doch an.«
Wir
wandten unsere Aufmerksamkeit der Gestalt auf dem Boden zu. Er trug eine
Jeansjacke, ein schmuddeliges weißes Hemd und unscheinbare braune Schuhe. Er
war sehr groß und auf eine irgendwie unpassende Art klobig. Sein Kopf war
allerdings faszinierend. Er ähnelte dem ersten Versuch eines Töpferlehrlings
für eine Suppenterrine. Er sah aus wie eine matschige Knolle, mit einer
einzigen vorstehenden Augenbraue, einem Stoppelbart und zwei schon lückenhaften
Zahnreihen. Die Ohren als asymmetrisch zu beschreiben, täte allem
Asymmetrischen unrecht.
»Unrecht?
Was meinst du?«, rief Bel, als ich ihr meinen Eindruck schilderte. »Du
schlägst jemandem den Schädel ein, und dir fällt nichts Besseres ein, als seine
Ohren zu bekritteln. Tickst du noch richtig?«
»Wenn's
nur die Ohren wären«, sagte ich. »Stell dir bloß vor, was Mutter sagen würde,
wenn sie das da sehen würde.«
»Ich kann
mir sehr gut vorstellen, was sie sagen würde«, sagte Bel säuerlich. »Sie würde
sagen, dass ihr ein bisschen unwohl sei, und ob ihr nicht jemand einen Gin
einschenken könnte.«
»Mach
keine Witze über Mutters schwache Nerven«, wies ich sie zurecht. Aber sie war
schon unterwegs zur Küche und kam kurz darauf mit einem Geschirrtuch voller
Eiswürfel zurück. Das Wesen kam gerade wieder zu sich. »Mann o Mann«, sagte es.
»Scheiße.«
»Alles in
Ordnung?«, fragte Bel und zog es mit beiden Händen in eine sitzende Position.
»Was ist
passiert?«, sagte das Wesen. »Ich hab die Küche gesucht. Und dann war ich
plötzlich in diesem Zimmer, alles voll Mäntel, und dann, weiß nicht, als wenn
mich einer geschlagen hätte...«
»Du
hattest einen kleinen Unfall«, sagte Bel und starrte mich eisig an.
»Na ja,
jetzt ist es ja überstanden«, sagte ich. »Wie wär's mit einem Drink? Ein Cognac
vielleicht? Oder kann ich dich zu einem Gimlet überreden? Ich wollte mir gerade
selbst...«
»Eine
Tasse Tee wäre wunderbar«, sagte der Eindringling. Er rappelte sich auf, hielt
sich an Bels Schulter fest und schleppte sich über das Parkett in den Salon.
Dort sank er auf meinem Chaiselongueplatz nieder.
»Tee.
Natürlich«, sagte ich gnädig, während er die Fernbedienung nahm und Mary
Astors lächelnde Augen von einer auseinander gezogenen, im Kreis
herumrennenden Hundemeute ersetzt wurden.
Niemand
reagierte, als ich die Dienstbotenglocke läutete. Ich stand in der Küche und
starrte hilflos die Küchenschränke an, als Bel hereinkam. »Wo hat Mrs P den
Tee?«, fragte ich. Bel riss Millimeter vor meiner Nase eine Schranktür auf,
und ich blickte auf eine Reihe glasierter Tontöpfe. »Ob er Earl Grey mag? Ist
eigentlich ein bisschen zu früh dafür, oder?«
Bel
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