Muss ich denn schon wieder verreisen?
ziehen in Kürze um. Dann bekommen wir sogar eine richtige Küche. Wollen Sie Käse?«
Langsam fing die Sache an, mir Spaß zu machen. Die Stimmung war ausgesprochen locker. Außer Sascha schien es keinen einzigen Morgenmuffel zu geben. Kein Mensch nahm Notiz von mir, Besucher waren die Regel, nicht die Ausnahme, und so fühlte sich auch niemand bemüßigt, dauernd um uns herumzutänzeln. Für die nächsten zwei Stunden gehörte ich ganz einfach zum Team.
Irgendwann ließ der Zustrom hungriger Mitarbeiter nach, und das Zimmer leerte sich. Übrig blieben außer Sascha und mir zwei Dutzend Kaffeetassen, ein Stapel benutzte Teller, eine Untertasse mit Käserinden, diverse halbvolle Aschenbecher sowie ein jüngerer Herr in grauem Anzug mit Krawatte und passendem Einstecktuch. Dank dieses Outfits zwischen all den Jeans und Schlabberpullis war er mir schon vorher aufgefallen. Mit Recht, wie sich jetzt herausstellte, denn er war mein künftiger Gesprächspartner.
Jetzt wurde es ernst! »Ja, Frau Sanders«, begann er, »ein Interview sollte man zwar vorher nicht absprechen, doch ein paar Stichworte müßten wir schon festlegen. Gibt es irgend etwas Bestimmtes, worüber Sie nicht gern reden würden?«
»Nein, Tabuthemen kann ich mir gar nicht mehr leisten. Nach vier Büchern über meine Familie sitzen wir sowieso schon alle im Glashaus. Ich wäre nur dankbar, wenn Sie mir nicht auch wieder die gleichen Fragen stellen würden, die ich mindestens schon hundertsiebenundzwanzigmal beantwortet habe.«
»Und das wären welche?«
Ich zählte sie der Reihe nach auf. »Die meisten davon habe ich im vorliegenden Buch sowieso behandelt, schon deshalb würden sie sich erübrigen.«
Herr XY schrieb etwas auf einen Zettel. »Dann werde ich Sie nachher ganz einfach vorstellen und Sie fragen, ob Sie schon immer Schriftstellerin werden wollten, und falls nicht, wie Sie zum Schreiben gekommen sind.«
Ich hatte es doch geahnt! »Also gut, dann werde ich diese Frage eben zum hundertachtundzwanzigstenmal beantworten.«
Er guckte etwas unsicher.
»Irgendeinen Einstieg müssen wir haben.«
»Das ist mir klar, und ich werde auch ganz brav darauf eingehen, aber die übrigen Standardfragen ersparen Sie mir, ja?«
Das sicherte er zu, und damit war die Vorbesprechung auch schon zu Ende. Nun kam Sascha an die Reihe. »Sind Sie der ältere oder der jüngere Sohn?«
»Der Zweitgeborene.«
»Werden Sie auch mal in die Fußstapfen Ihrer Mutter treten?«
»Ganz bestimmt nicht«, fuhr ich dazwischen, »der schreibt ja nicht mal Briefe.«
»Wozu auch«, meinte Herr XY, »es gibt doch Telefon.«
»Das schon«, Sascha grinste über das ganze Gesicht, »nur sind Satellitengespräche ziemlich teuer.«
Jetzt wurde Herr XY hellhörig. »Wieso Satellit? Wo leben Sie denn?«
»Jeden Tag woanders.«
»Nanu? Sind Sie Pilot?«
»Nee, Steward auf ’nem Kreuzfahrtschiff.«
»Das ist ja interessant.« Herr XY wechselte seinen Platz und setzte sich zu Sascha. »Welche Route fahren Sie denn? Mittelmeer? Malta, Madeira, Abstecher auf die Kanaren und so weiter?«
Saschas Grinsen wurde immer unverschämter. »Eigentlich mehr Pazifik, Indischer Ozean und so weiter, also Neuseeland, Bali, Hongkong mit Abstecher auf die Malediven.«
Herr XY staunte. »Das muß dann aber ein ziemlich großer Pott sein. Kenne ich ihn?«
»Möglich«, sagte Sascha gleichmütig. »Er heißt Queen Elizabeth II.«
Herr XY holte frischen Kaffee. »Wollen Sie auch noch welchen? Nein? Ist auch besser. Diese Höllenbrühe garantiert baldigen Herzinfarkt.« Er jonglierte die Tasse zum Tisch zurück und setzte sich wieder. »Geht es auf so einem Dampfer wirklich zu wie in der Traumschiff-Serie? Die hätten wir übrigens auch gern gehabt, hat tolle Einschaltquoten. Erzählen Sie doch mal ein bißchen.«
Sofort winkte Sascha ab. »Lieber nicht, sonst kriege ich Krach mit der Reederei. Fernsehfilme haben nur selten etwas mit der Realität zu tun.« Dann plauderte er aber doch aus dem Nähkästchen, und je mehr er erzählte, desto interessierter wurde Herr XY. Schließlich meinte er: »Würden Sie sich zutrauen, ähnlich locker vor der Kamera zu reden?«
»Na klar, warum nicht?« Erst dann schien Sascha aufzugehen, was diese Frage bedeutete. »Sie denken doch nicht etwa an einen Auftritt im Fernsehen?«
Genau das schwebte Herrn XY vor. »Wir sollten das möglichst bald durchziehen, solange die MS Astor beim ZDF noch über den Bildschirm schwimmt. Traumschiff und Wirklichkeit, das wäre
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