Muss ich denn schon wieder verreisen?
erst literweise mit Kaffee abgefüllt und dann ins Restaurant geschleppt wird, weil alle Verleger offenbar der Ansicht sind, sie müßten ihren Autoren mal ein kostenloses Mittagessen spendieren. Wenn man sich seine Honorarabrechnungen ansieht, ist diese Überlegung gar nicht so abwegig!
Eine Muß-Reise ist auch die alljährlich stattfindende Buchmesse. Bisher gab’s nur die in Frankfurt, jetzt veranstaltet Leipzig ebenfalls eine, und wenn man nicht gerade einen Blinddarmdurchbruch oder zwei Gipsbeine vorzuweisen hat – eins ist zuwenig, damit kann man ja noch laufen –, muß man hin. Und das nur, um mehr oder weniger dekorativ am Stand herumzusitzen und gelegentlich mit freundlichem Lächeln seinen Namen in ein Buch zu schreiben. Hin und wieder fegt ein Außendienst-Mitarbeiter vorbei, stutzt, dreht sich um, kommt zurück, um einem die Hand zu schütteln und gleichzeitig zu bedauern, daß er einen Termin habe.
»Schade, ich hätte mich gern mal mit Ihnen unterhalten. Sind Sie nachher noch da?«
Natürlich ist man noch da, nur hat der Außendienst-Mitarbeiter inzwischen zwei neue Termine.
Meine letzte Muß-Reise führte mich zu einem Verlag, der in einer seiner Illustrierten einen Roman von mir als Fortsetzung bringen und die Autorin entsprechend vorstellen wollte. Ob man eine Reporterin sowie einen Fotografen schicken dürfe?
Bloß das nicht! Zu gut erinnerte ich mich noch an die ›Heimreportage‹ einer Rundfunkzeitung, zu der man vor Jahren aus dem gleichen Grund zwei Interviewer zu uns in Marsch gesetzt hatte. Damals ist mein Nachwuchs von der Aussicht, sich in Wort und Bild abgedruckt zu sehen, noch begeistert gewesen, doch jetzt hätte man ihn weder mit Geld noch mit tausend Bitten vor eine Kamera gekriegt. Also erklärte ich mich bereit, hinzufahren und mich für die Rubrik ›Zu Gast in unserer Redaktion‹ befragen und ablichten zu lassen. Auf diese Weise blieb mir wenigstens das sonst übliche mehrmalige Umziehen erspart, denn vor dem blühenden Fliederbusch kann man keine blaue Bluse tragen, die hebt sich farblich nicht so richtig ab, und wenn man vor der Bücherwand posieren muß, darf man nur etwas Einfarbiges anziehen, weil der Hintergrund schon bunt genug ist. Der weiße Hosenanzug wiederum paßt nicht in die Küche, die ist nämlich auch weiß.
Diese Art Modenschau bleibt einem erspart, wenn man, neutral gekleidet, dem betreffenden Verlag selbst auf die Bude rückt und es dem Fotografen überläßt, den ihm genehmen Hintergrund zu suchen. Allerdings kann es dann passieren, daß er einen bei zwei Grad minus in den nahe gelegenen Park zu dem so zauberhaft verschneiten Tulpenbaum schleppt. Ohne Mantel!
Den nachhaltigsten Eindruck hat zweifellos jene Muß-Reise nach Luxemburg bei mir hinterlassen, als die privaten Fernsehsender noch in den Kinderschuhen steckten und die bekanntesten Gesichter auf dem Bildschirm die der Nachrichtensprecher waren. Die Prominenz hielt sich mit Auftritten bei den neuen Sendern noch zurück, und man war bereits dankbar, wenn überhaupt jemand kam, dessen Namen eventuell schon mal jemand gehört hatte.
Ich habe (vermutlich aus gutem Grund) nie herausbekommen, wer vom Verlag mich für befähigt gehalten hat, mein neues Buch via Bildschirm vorzustellen, und es ist mir heute noch rätselhaft, weshalb ich mich überhaupt darauf eingelassen habe. Vermutlich war es Saschas Schuld gewesen, der aus nicht mehr rekonstruierbaren Gründen zu Hause herumsaß und sich langweilte. »Na klar machste das«, bestimmte er sofort. »Ich fahr dich auch hin. Ein Fernsehstudio wollte ich schon immer mal von innen sehen.«
Diesen Wunsch hatte ich zwar noch nie verspürt, doch legte der Verlag großen Wert auf meinen Auftritt. Immerhin sei ich rhetorisch nicht ganz ungewandt, und überhaupt laufe der Verkauf des neuen Buches noch gar nicht so besonders gut. Das ändere sich bestimmt, sobald ich vor einem Millionenpublikum etwas darüber erzählt habe.
»Von wegen Millionenpublikum«, räsonierte ich. »Wer setzt sich denn an einem Feiertag vormittags vor die Glotze?« Daß ich an einem Montag im ›Frühstücksfernsehen‹ auftreten sollte, war mir bekannt, nicht jedoch, daß es sich um den Pfingstmontag handelte. Das wurde mir erst nach einem Blick in den Kalender klar.
»Ein Feiertag ist doch gerade gut«, widersprach mein Sohn. »Da hängen die meisten zu Hause rum und wissen nichts mit sich anzufangen. Was tun sie also? Fernsehen!«
»Aber nicht morgens um halb neun. Um die Zeit
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