Muss ich denn schon wieder verreisen?
ein tolles Thema.«
»Für Sie vielleicht, aber ich wäre meinen Job los. Welcher Betrieb mag es schon, wenn man ihm hinter die Kulissen schaut? Nee, das lassen wir schön bleiben. Und außerdem ginge es auch gar nicht. Am Freitag muß ich wieder in Southampton sein. Dann ist mein Urlaub zu Ende.«
Das stimmte zwar nicht, sein Kahn würde erst in zwei Wochen wieder seinen Heimathafen anlaufen, doch das brauchte Herr XY ja nicht zu wissen.
»Frau Sanders bitte in die Maske!« tönte es aus einem unsichtbaren Lautsprecher. Ein dienstbarer Geist brachte mich in ein kleines Kabuff, in dem außer einem Stuhl mit einem Spiegel davor und einem Wägelchen voller Schminkutensilien gerade noch Platz für die Maskenbildnerin blieb.
Zehn Minuten später sah ich wie ein rosa Schweinchen aus. Das müsse so sein wegen der Scheinwerfer, wurde ich belehrt, bekam noch einen Rougetupfer auf die Wangen und durfte gehen. Niemandem außer Sascha fiel mein Babygesicht auf.
»In welchen Farbkübel haben sie dich denn gesteckt?«
»Ich bezweifle ja auch, daß mir der pinkfarbene Lippenstift steht, aber vielleicht sehe ich nachher auf dem Bildschirm fünfzehn Jahre jünger aus.«
»Lieber nicht, dann müßtest du nämlich mit dreizehn zum erstenmal gemuttert haben!«
Herr XY kreuzte meinen Weg. »Sind Sie fertig? Wir sind gleich dran.«
Jetzt wurde mir doch ein bißchen mulmig. Im Bauch fing es an zu kribbeln, ein Kloß setzte sich in der Kehle fest, meine Stimme hatte sich in ein Krächzen verwandelt. Wenn doch bloß schon die nächste Viertelstunde vorbei wäre.
»Und sag nicht dauernd ›äh‹ «, flüsterte mir Sascha noch zu, bevor ich Herrn XY ins Aufnahmestudio folgte. Was ich erwartet hatte, kann ich heute nicht mehr sagen, auf keinen Fall jedoch ein simples Wohnzimmer mit Bücherschrank und Sitzecke, dessen Ausmaße ungefähr dem sozialen Wohnungsbau entsprachen. Lediglich die an der Decke befestigten Scheinwerfer paßten nicht so ganz zum Ambiente. Dem Sofa gegenüber war die Kamera postiert, und damit hatte sich’s auch schon. Keine Kabelträger, keine Dame mit Puderquaste, kein Aufnahmeleiter, nur ein Monitor in der Ecke mit einemMännergesicht, das den Wetterbericht verlas: Überwiegend bewölkt und für die Jahreszeit zu kühl.
Ich mußte auf dem Sofa Platz nehmen, Herr XY ließ sich im daneben stehenden Sessel nieder, rückte die Vase mit den Pfingstrosen etwas zur Seite, wandte sein Gesicht zur Kamera und setzte, sobald das rote Licht aufflammte, ein sehr gekonntes professionelles Lächeln auf. »Einen schönen guten Morgen und herzlich willkommen zum Frühstücksfernsehen. Wir haben heute …«
Während er den Einleitungstext herunterspulte, ging ich in Gedanken noch einmal meine hoffentlich originelle Antwort auf die gleich zu erwartende erste Frage durch. Und was kam statt dessen?
»Frau Sanders, eines Ihrer Bücher heißt Das hätt’ ich vorher wissen müssen und beschreibt, was Sie seit Ihrem Dasein als Hausfrau und Autorin alles erlebt haben. Was hätten Sie denn nun anders gemacht, wenn Sie es vorher gewußt hätten? Keine Bücher geschrieben?«
Jetzt saß ich fest! Auf diese Frage war ich in keiner Weise vorbereitet, die hätte meinetwegen später kommen dürfen, wenn ich ein bißchen lockerer geworden wäre, aber doch nicht gleich am Anfang, zumal die Einleitung extra abgesprochen worden war. Am liebsten hätte ich diesem mich erwartungsvoll anstrahlenden XY die Vase samt Pfingstrosen über den Kopf gestülpt.
Decken wir den Mantel des Schweigens über sechs Minuten Blamage. Zumindest ich habe mein Fernsehdebüt als eine solche empfunden, obwohl meine Familie hinterher behauptet hat, ich habe mich ganz gut geschlagen, nur siebenmal ›äh‹ gesagt, absolut druckreif gesprochen, aber entsetzlich geleiert. »Und nicht einmal hast du in die Kamera gesehen«, monierte Katja.
»Man schaut ja auch seinen Gesprächspartner an«, erinnerte ich sie an diese simple Höflichkeitsregel.
»Den haste ja gar nicht angeguckt, meistens haste bloß auf die Tischplatte gestiert.« Irgendwo muß noch die Aufzeichnung dieses denkwürdigen Interviews herumliegen, ich weiß nur nicht mehr, wo. Angesehen habe ich die Kassette ein einziges Mal, und das auch ganz allein.
So viel zu den Muß-Reisen. Korrekterweise sollte ich noch die Leseabende aufführen, obwohl ich mir nicht ganz sicher bin, ob sie nicht doch in die andere Rubrik gehören. Wenn ich nicht will, muß ich ja nicht! Und meistens will ich auch, nur nicht
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