Mutproben
später rief mich der Chef des Bundeskanzleramts an, Friedrich Bohl, sehr nett und freundlich, und bat mich, meine Kritik doch etwas zurückzuhalten. Norbert Blüm und die Bundesregierung sähen das anders, und an das Rententhema zu gehen sei ohnehin nicht gerade populär. Ich erwiderte, dass ich in der Sache zwar anderer Meinung sei, aber ich erklärte mich bereit, keine weiteren Interviews dazu zu geben. Auf dem folgenden kleinen Bundesparteitag der CDU war ich neben Kurt Biedenkopf dann der einzige, der für dieses Modell gesprochen hat, und ich ging mit Pauken und Trompeten unter.
Auch da bin ich meiner Intuition gefolgt und habe mich nicht von taktischen Erwägungen leiten lassen. Ich will damit nicht sagen, dass ich damals unbedingt Recht hatte. Aber es
war eine Entscheidung gegen den Mainstream und für meine eigene Überzeugung. Andere Parteifreunde waren der gleichen Auffassung, auch sie hielten das umlagenfinanzierte Modell für nicht mehr zeitgemäß, aber von denen hat sich kaum einer dazu bekannt.
Bei mir ist ein solches Verhalten wohl mehr durch Spontaneität als durch Mut begründet. Ich fühlte mich nie besonders mutig, aber ich war schon immer ein spontaner Mensch, der zu dem stand, was er meinte. Selbst wenn damit das Risiko der Ächtung verbunden war. Ich habe mich anschließend manches Mal geärgert, dass ich etwas gesagt hatte, was ich zwar so meinte, wo ich mich gleichzeitig aber auch etwas mit verplappert hatte. Dann aber war es draußen, und das war heilsam, denn ich hatte mir selbst nichts vorzuwerfen.
Wer das so macht, der sollte anschließend auch dazu stehen können. Man muss seine Meinung durchhalten, auch gegen Angriffe muss man die eigene Meinung dann verteidigen können und nicht, wie es oftmals ist, zurückrudern und sagen, man sei wohl einfach falsch verstanden worden. Dann ist man ein »Weichei« und gilt als »Fähnchen im Wind«. Man darf nicht wegknicken, das habe ich immer so gesehen. Unter dem Strich honorieren das die Leute. Selbst dann, wenn sie nicht der gleichen Meinung sind. Das Risiko, dass man aneckt, dass man auch mal angefeindet wird, besteht so natürlich. Aber die Haltung, dass man so ist, wie man ist, und dazu auch steht, selbst wenn einem der Sturm ins Gesicht bläst, die ist den Leuten wichtiger und hat größeren Anteil an einer positiven Bewertung als der inhaltliche Widerspruch zu ihnen.
Aber solcher Mut hat mich manchmal auch verlassen. Am Anfang meiner Amtszeit als Bürgermeister etwa habe ich gerne Persönlichkeiten »ins Boot« geholt, von denen ich überzeugt war, dass sie gut sind. Ich habe mich dabei nie von der Partei oder durch die Fraktion beeinflussen lassen. Wolfgang Peiner etwa, mein Finanzsenator, war keiner, der vom Parteiproporz her dran war. Ebenso die parteilosen Senatoren Jörg Dräger oder Karin von Welck. Das waren Entscheidungen, bei denen manchem aus der Fraktion das Messer in der Hose aufgegangen war, weil er meinte, eigentlich sei er jetzt dran. Diese Leute hatten die Kernerarbeit gemacht, eine Kanalarbeiterkarriere und langjährige Parteiarbeit hinter sich. Und nun wurden sie nicht berücksichtigt von mir. Da war ich am Anfang durchaus mutig, verlor aber später dann doch die Kraft, mich in solchen Fällen gegen die eigene Partei durchzusetzen.
Es ist also eine ständige Aufgabe, sich selbst zu prüfen, mit einem gewissen Abstand auf sich selbst zu blicken und zu prüfen, ob man sich noch auf dem richtigen Weg befindet. Möglicherweise muss man dann auch manchmal feststellen, dass man von der Spur doch abgekommen ist. Das kann passieren, und das passiert auch immer wieder. Wichtig ist nur, dass man sich das selbst dann auch eingestehen kann und notfalls eine Korrektur vornimmt. Dafür braucht man ein ehrliches Umfeld, das einem den Spiegel vor das Gesicht hält im entscheidenden Moment.
Hier und da höre ich nach meinem politischen Rückzug als Bürgermeister, dass ich die Partei im Stich gelassen hätte.
Und man könnte die Frage anschließen, was das dann mit Mut, mit Konsequenz und mit Ehrlichkeit zu tun hat. Solche Kritiker übersehen dabei, dass ich meinen Rückzug schon vor Jahren angedeutet hatte. Ich habe immer gesagt, dass ich etwa ein Jahr vor der nächsten Wahl entscheiden würde, ob ich noch einmal antrete oder ob ich es sein lasse. Die Bürgerschaftswahl wäre im Frühjahr 2012 gewesen. Und ich bin im Herbst 2010 zurückgetreten. Insofern habe ich mich recht genau an meine Aussagen von damals gehalten.
Dass viele
Weitere Kostenlose Bücher