Mutterschuldgefuehl
Gerede von Perfektion, Förderung und Erfolg auf der einen Seite und von Risiko, Gefahr und Abgrund auf der anderen meinen Kindern und mir eher schadet, als dass es Gutes tut. Meines Wissens sind die Kinder nicht klüger und besser als die Kinder der Generation vor ihnen. Im Gegenteil, sie sind offenbar ängstlicher und gestresster als früher, weil wir Mütter ängstlicher und gestresster sind. Wir glauben, den Ansprüchen nicht zu genügen, und die Kinder spiegeln unser Verhalten. Wer weiÃ, wie lange sie das durchhalten? Immerhin hatten wir Mütter den Luxus einer Kindheit, in der wir nicht mit fünf Jahren vor der »schlechten Schule« bibbern mussten, sondern uns auf eine wunderbar aufregende Zukunft als Erwachsener freuen durften. »Wenn ich einmal groà bin â¦Â« war bei uns ein verheiÃungsvolles geflügeltes Wort.
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Das Ironische an der Situation ist, dass der Arbeitsmarkt der Zukunft für den Einzelnen wahrscheinlich nicht nur entspannter als heute sein wird, weil unsere Kinder in geburtenschwachen Jahrgängen geboren sind. Oder dass es heute zahlreiche Möglichkeiten gibt, das heià begehrte Abitur auch auf Umwegen zu erreichen oder aber ohne Abitur zu studieren. Oder dass es in Zukunft in unserer Gesellschaft weniger denn je zuvor auf gute Noten und Schulwissen ankommen wird, sondern vielmehr auf begeisterungsfähige, kreative Köpfe, die sich engagiert und kraftvoll in unsere Gemeinschaft einbringen wollen. Es könnte schwierig werden, diese Menschen zu finden, wenn sich jetzt schon viele in der Kindheit restlos überfordert und bedrängt fühlen.
Und was ist mit uns Müttern? Sind wir besser als alle Mütter vor uns, weil wir uns ängstlich bemühen, die perfekte Mutter zu sein? Ich kann nur für mich sprechen. Und da sage ich aus vollem Herzen: sicher nicht. Das Ideal der perfekten Mutter hat mir nicht dazu verholfen, ein besseres Ich meiner selbst zu entwickeln. Im Gegenteil: Es kommt so rigide, borniert und leistungsorientiert daher, dass es mich im Alltag erdrückt und im Umgang mit meinen Kindern verkrampfen
lässt. Dieses Ideal kann mir nie und nimmer das Gefühl geben, eine gute Mutter zu sein. Das ist mir inzwischen klar geworden. Und nicht nur, weil ich keine Halbgöttin bin, sondern weil ich eigentlich auch gar nicht so sein möchte wie diese Frau, die von allen Seiten beschworen wird. Ehrlich gesagt kann ich mir nichts Künstlicheres vorstellen als eine fehlerlose, ewig lächelnde Mutter, die stets weiÃ, was gut für andere ist. Da könnten meine Töchter ja gleich von einem Automaten aufgezogen werden. Ich glaube auch nicht, dass meine Töchter das ersprieÃlich fänden. Ich glaube, sie würden mich hassen. Wer hält so was denn aus?
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Und so verabschiede ich mich schlieÃlich leichten Herzens von dem Ideal der perfekten Mutter und dem Anspruch, meinen Kindern Tag für Tag nur das Beste geben zu müssen. Schluss mit perfekt! Ich bleibe mir lieber selbst treu, denn darin bin ich am besten, und laufe nicht mehr Luftschlössern von Makellosigkeit, ewigem Glück und absoluter Sicherheit hinterher. Ich probiere, experimentiere, lerne und staune, irre mich häufig und oft mache ich es gut. Und den Kindern geht es bestens dabei. Eine entspannte Mutter ist offenbar beflügelnd. Und mich kann so leicht nichts mehr erschüttern.
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Experten und Ratgeber? Mit gehöriger Skepsis und Abstand. Ãrzte und Hebammen? Wir suchen die guten und wissen jetzt, was gut für uns ist.
Höchstleistungen? Karriere? Ja, gern - wenn der Preis nicht zu hoch ist. Das Leben hat mehr zu bieten.
Fehler? Wir lernen daraus.
Schuldgefühle? Mit gesundem Menschenverstand.
Perfektion in der Kindererziehung? Ãberflüssig wie ein Kropf.
Zukunft? Golden! Es kann mir keiner das Gegenteil beweisen.
Unser Motto: »Wer weiÃ, wozuâs gut ist!«
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Stück für Stück und Tag für Tag erobere ich mir das gute Gefühl, eine gute Mutter zu sein, mit allen Fehlern, Schwächen
und Macken, die ich so habe. Tschüss, ihr Mutterschuldgefühle! Ich lerne mich wieder zu schätzen.
Und was soll ich sagen? Ich stelle verblüfft fest, dass das das Beste ist, was ich meinen Kindern bieten kann. Ich bin nicht nur weit besser gelaunt, sondern sie lernen, dass wir uns immer willkommen sind. Dass wir Frauen, Kinder und Männer uns ernst nehmen und uns trotz oder
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