Muttersoehnchen

verwunderte mich, dass Harry neben all seinen Zauberkräften viel Mädchenhaftes in sich trug. Er war kein starker, kein jugendlicher Supermann. Er war lieb, zurückhaltend, duldsam. Ein Mündel, das bei Verwandten aufwuchs, die ihn nicht mochten, und erst im Alter von elf Jahren erfuhr, dass er ein magischer Muggel ist. Er war ein vorbildlicher Teamplayer, obwohl er allen anderen haushoch überlegen war und eigentlich ein Anführer hätte sein können. Er hörte auf den Rat von Freundin Hermine, weil er auf Freund Ron nicht bauen konnte. Der war ein sympathischer Loser: rothaarig mit Sommersprossen und dem Panik-P in den Augen. Bei fünf älteren Brüdern litt er ständig darunter, zu kurz zu kommen, und sein Talent im Schach half ihm nicht gegen seine große Angst vor
Spinnen. Hermine war pfiffig, mutig und wurde schließlich auch schön, als ihr im vierten Buch endlich die auffällig großen Vorderzähne gerichtet wurden.
    Dieses Szenario beunruhigte mich nicht im Hinblick auf die Entwicklung meines Sohnes, es war vielmehr meine persönliche Erklärung dafür, warum ich selbst für die Welt in Hogwarts nicht geeignet war. Die Figuren wurden in ein gleichberechtigtes Licht gesetzt, das weibliche Verhaltensweisen bevorzugt. Damals konnte ich damit nichts anfangen, heute finde ich es schädlich, weil es den Jungs als Leitbild implantiert wird, bevor sie ihre eigene Durchsetzungskraft testen dürften.

    Jetzt zweifele ich stark, ob jemand, der nie durchs wilde Kurdistan ritt, sich aber auf den ausgebauten Straßen im Rheinland genau so verhält, mit einem gleichaltrigen Auto über tausend Kilometer bewältigen kann. Überhaupt muss die Karre erstmal durch den TÜV, und seine Tempo-Knöllchen soll Maik zukünftig selbst zahlen.
    Nur diesmal habe ich mich schwer vertan. Mein Mann hat sich mit Maik verbündet. Seine Zustimmung ist unwiderruflich, und ich bin mit meinen Ängsten allein. Unser Sohn ist happy und verabredet sich fröhlich mit seinem Jannick, der im Chat nur aus der Ziffernfolge 1x744xxX besteht. Maik nennt sich !irxKO. und schreibt mit zehn Fingern.
    !irxKO 19:43
was geeeeht alta?

    1x744xxX 19:43
Lol

    1x744xxX 19:44
grad sms geschrieben

    !irxKO 19:45
Was

    !irxKO 19:45
was man was

    !irxKO 19:45
ja komm doch

    !irxKO 19:45
endlcih 1 !

    !irxKO 19:45
wie die mich alle nerven hier

    1x744xxX 19:45
ja ne mom ... essen hier noch -.-

    !irxKO 19:46
jajajaa ojk

    1x744xxX 19:46
Sry

    !irxKO 19:46
Nopnjp

    !irxKO 19:46
Kor, sollte NP heißen No Problem

    1x744xxX 19:50
okeoke
    Über ihre verstümmelte Sprache konnte ich nur den Kopf schütteln, aber die Alten zu provozieren, war wohl zu jeder Zeit Sinn und Zweck des Jugendcodes. Im Chat entwickelten die Kinder der kreativen Freizeitelite ihre eigene Lautschrift, die nie falsch ist, weil es keine verbindlichen Regeln gibt. Kein Punkt, kein Komma, kein groß und klein. Für uns war es nur verständlich, wenn wir den Text laut lasen. Den Linguistikern erleichtert es ihre Arbeit, denn alles ist schon mal aufgeschrieben.

    1x744xxX 20:28
ich hab

    1x744xxX 20:28
ethe book of eli runtergeladen ... sollen wa den gucken? is aber
nicht sooo die cranke quali

    !irxKO 20:29
is das horror oder waaaos

    !irxKO 20:29
Oo

    !irxKO 20:29
oder psychoo

    1x744xxX 20:29
Nene

    1x744xxX 20:29
kA was das genau fürn film is

    1x744xxX 20:30
bissl action oder so

    !irxKO 20:30
asu

    1x744xxX 20:30
aber schon bissl deeper
    Wir bestückten jeden Satz mit ey und fügten zwischendurch ein cool ein. Es gab Typen, Kerle und Knacker, Tussen, Trullas und Schnallen. Wir wollten Kohle und noch mehr Knete. Wir waren auf abgefahrenen Feten und hatten aldiweil null Bock auf Zoff. Wow! Wir laberten die ganze Zeit, motzten über alles und den Rest fanden wir nur geil. Wer geil im normalen Sprachgebrauch
benutzte, ohne rot anzulaufen, war auf gutem Wege, ein Großer zu werden.
    Dann wurde der Geiz geil, als wir schon groß und der Jugendsprache längst entwachsen waren. Deshalb hörten wir darüber bigotte Wertediskussionen im Fernsehen, was aber nichts daran änderte, dass der Slogan uns als Kunden anzog. Wir fanden nur ein bisschen blöd, dass einer ausspricht, was ja stimmt und merkten lange nicht, dass die meisten Artikel bei Saturn gar nicht besonders günstig waren.
    Die Jugendsprache hat sich im Inhalt nicht verändert, vielleicht ist noch ein bisschen mehr Englisch ins Deutsche gekommen, hat nur ein Monitor die Tafel ersetzt, die man wie die in der Schule schnell