MYLADY HOCHZEITSBAND Band 01
Miss Cartwright?“
„Ich höre viel bei meinen Besuchen.“
„Dann sind Sie gewiss nicht taub“, sagte Miles lachend.
„Nein, Captain. Mein Gehör ist ausgesprochen gut“, sagte sie und bedachte Roland mit einem vielsagenden Blick. Doch er war mit der Hühnerkeule auf seinem Teller beschäftigt, deshalb entging ihm die hintergründige Bedeutung ihrer Worte. „Allerdings sollte ich doch besser aufbrechen. Würden Sie bitte meine Karriole vorfahren lassen, Mylord?“
„Ich kümmere mich darum“, sagte Miles und verschwand eilig, Roland und Charlotte blieben allein zurück und sahen sich verlegen an.
„Kommen Sie morgen auch zum Unterricht?“
„Ich weiß nicht, ob mir dafür Zeit bleiben wird“, erwiderte sie. „Ich habe viel zu tun.“
„Natürlich, Sie sind eine viel beschäftigte Frau.“
„Wir alle tun unsere Pflicht, Mylord. Ich schäme mich nicht, zu arbeiten.“
„Um Himmels willen, das müssen Sie auch nicht! Auch ich habe zahlreiche Pflichten zu erledigen, dennoch werde ich versuchen, so oft wie möglich am Unterricht teilzunehmen. Sie können jederzeit zu uns stoßen, wann immer es Ihnen möglich ist. Sie müssen sich nicht vorher anmelden.“
„Danke, Mylord.“
„Wäre es Ihnen angenehmer, wenn ich für größere Stühle sorge?“
„Nein“, widersprach sie. „Bitte nicht. Tommy gefällt es, wenn wir, quasi auf selber Höhe, neben ihm sitzen, und so sollte es auch sein.“
„Zurechtgestutzt, he?“ Er grinste. „Nun gut, dann werde ich alles so belassen und freue mich schon auf unsere nächste gemeinsame Unterrichtsstunde, wann immer diese auch stattfinden wird.“
In diesem Augenblick kam Miles zurück, um zu verkünden, dass die Karriole bereitstünde. Charlotte verabschiedete sich von beiden. Doch statt nach Hause zu fahren, kutschierte sie geradewegs nach Scofield. Sie konnte es sich nicht leisten, die Weberei zu vernachlässigen, besonders nicht, da es in benachbarten Fabriken bereits Unruhen gegeben hatte. Sie wollte vermeiden, dass dieser Unmut auf ihre Arbeiter übergriff.
Während sie die Landstraße entlangfuhr, musste sie wieder an den Ball denken, den sie zu geben gedachte, und wünschte inständig, dass er ein Erfolg wurde. Nie zuvor hatte es ihr etwas ausgemacht, zurückgezogen zu leben, von der Gesellschaft ausgeschlossen zu sein, doch jetzt ärgerte sie sich darüber. Und zum ersten Mal erkannte sie, dass sie Lord Amerleigh beeindrucken wollte, nicht um sich ihm überlegen zu fühlen, sondern weil sie ihn trotz allem mochte und respektierte. Diese Erkenntnis traf sie wie ein Blitz aus heiterem Himmel!
Nachdem sie mit William Brock die neuesten Aufträge besprochen und sich davon überzeugt hatte, dass in der Fabrik alles zu ihrer Zufriedenheit lief, kehrte Charlotte nach Mandeville zurück und fand ihre Großtante auf dem Sofa im Salon vor. Neben ihr auf dem niedrigen Tisch stand ein Tablett mit Tee und einem Kuchenteller, auf dem nur noch einige Krümel zu sehen waren. Lady Ratcliffe war Ende sechzig, doch sie hielt sich ausgesprochen aufrecht.
„Warum hast du mich denn nicht über dein Kommen benachrichtigt?“, fragte Charlotte und eilte zu ihrer Tante, um ihr einen Kuss auf die gepuderte Wange zu drücken. „Dann wäre ich hier gewesen, um dich zu begrüßen.“
„Dein Brief erweckte den Eindruck, dass du meine Hilfe umgehend benötigst“, antwortete Lady Ratcliffe und musterte Charlotte durch ihr Lorgnon. „Wie ich sehe, entspricht dies den Tatsachen, und ich habe gut daran getan, mich gleich auf den Weg zu machen. Wo hast du nur diese seltsame Tracht her?“
„Das ist keine Tracht, Tante, dieses Kleid trage ich, wenn ich meinen Geschäften nachgehe. Ich werde mich gleich umziehen, damit wir zu Abend speisen können. Wie bist du angereist? Wo ist dein Gepäck? Ich hoffe, man hat es dir bereits auf dein Zimmer gebracht.“
„Ich kam in meiner eigenen Chaise, und ich glaube, meine Truhe hat man irgendwohin geschafft. Ich warte hier bereits seit einer Ewigkeit darauf, dass mich jemand auf mein Zimmer führt.“
„Das bedaure ich aufrichtig, Tante, allerdings erhielt ich keine Nachricht und habe daher auch nicht erwartet, dass du heute anreist.“ Sie ging zum Kamin und zog an der Klingelschnur, die daneben hing. „Ich werde dich selbst nach oben geleiten.“
Gleich darauf erschien ein Dienstbote und wurde angewiesen, heißes Wasser in das Blaue Zimmer zu bringen und Mrs. Cater zu bitten, das Dinner um eine halbe Stunde zu verschieben.
Weitere Kostenlose Bücher