Myrddin
Zugmaschine geschickt mit ihren zwei Anhängern wendete und an der Hauptstraße nach Westen abbog. Erst danach brach er mit Hörn auf und machte sich auf seinen letzten Weg nach Stonehenge.
Gemeinsam überquerten sie die Straße, die sie nicht mehr ängstigte, und die Stille des Weltzentrums umgab sie bereits. Dichter Bodennebel und Schneetreiben folgten ihnen und Myrddins Gedanken an die Vergangenheit waren ausgelöscht. Als Merlin war er damals gestorben und doch als William Myrddin durch die Welt gereist, um wieder zu sterben, nachdem er der Menschheit noch ein Gastspiel gegeben hatte, und nun würde er nach einem ganzen Jahrtausend nach Stonehenge zurückkehren, um niemals wieder kommen oder gehen zu müssen. Des Tages hätten sie Felder um das Plateau herum gesehen. Sie hätten in die Ebene von Salisbury Plain blicken können. Aber so schritten sie durch den Nachtnebel und spürten den Schnee nicht, der um sie trieb. Es gab keine Felder mehr und keine Menschen, keine Tage und keine Nächte, weder Wolken noch Welten. Haine, an die sie sich hätten erinnern können, waren nicht mehr, und sie schritten stolz auf die axis mundi zu.
Hörn fürchtete sich wie damals vor den Wächtern, die Stonehenge einst beschützten, doch Myrddin gab ihm das Gefühl der Sicherheit. Wahrhaft mußte er seine Kräfte gesammelt haben, als sich aus den Nebeln vor ihnen die Steine erhoben, die der Menschheit als Weltennabel dienen sollten. Trotz der Dunkelheit standen die Megalithen sichtbar auf einem erhöhten Hügelplateau und unter ihnen wallte der Nebel.
Myrddins Erregung war selbst für Hörn zu spüren. Der Zauberer sagte ihm, daß die Wächter die Stätte längst nicht mehr bewohnten, da sie damals mit ihm verschwunden wären, und er fragte Hörn, ob es nicht ein herrlicher Anblick sei.
Dann sprang er von Hörns Rücken herab und stand bis zu seiner Brust im Nebel. Hinter ihnen türmten sich die Schwaden zu einem gewaltigen Bollwerk gegen die Außenwelt und über ihnen verflog der Schnee. Stonehenge hatte unter der Hand von Myrddin ein letztes Mal seine Magie offenbart, als der Seher neben Hörn stand und das Weltenzentrum seinen Bauherren kommen spürte. Myrddin wäre in Trance gefallen, wäre er innerlich nicht so bewegt gewesen. Aus der Finsternis hoben sich die Sterne empor, schwebten fast über den Nebel des Umlandes, und ein nebelhafter Kreis schloß sich um den Ort.
„Hörn … wir haben es geschafft …“, flüsterte Myrddin seinem Hirsch zu. „Laß uns gehen … wir werden erwartet.“ Myrddin ging voraus, trug noch das Kostüm von Ganymed und hatte nichts weiter als einen Lederbeutel und seinen Hirschgefährten Hörn bei sich. „Ja … es ist soweit. Ich spüre, daß wir beide es geschafft haben …“
Hörn sah nichts anderes als die schweigenden Megalithen, die vernarbt und trostlos aus dem Nebel ragten, und je näher sie kamen, desto trauriger wurde ihr Anblick. Konnten es nur die Augen sehen oder war es tatsächlich heller geworden? Hörte er nicht Getuschel , fragte sich der alte Hirsch. Doch, es waren Stimmen und es war der Gesang der Vanyar. Die hellklingende Harmonie ihrer Melodien schwirrte in der Luft.
„Merlin, Elwe ist hier“, sagte Hörn froh.
„Ja, er ist hier … and alle andern sind es auch …“
„Myrddin, du kannst uns wohl mit deinen geblendeten Menschenaugen noch nicht sehen …“
„O doch, Halvdan. Ich sehe euch in mir.“
„Wo sind sie?“ fragte Hörn, der nur eine Veränderung in der Luft spürte, aber keine der vier Blondelfen entdecken konnte. Doch Myrddin gab ihm darauf keine Antwort.
„Wohl und Ehre auf euren Wegen, Elwe.“
„Ja, Myrddin. So gesagt … und entbinde uns …!“
„Nach Calacorya sollt ihr gehen … und uns an den Gestaden des Guivienen erwachen sehen.“
„Merlin, ich verstehe das nicht …“
„Hihihi … denk an den Tunnel, mein Freund Hörn …“, kicherte Virgo verspielt.
„Sollen die Menschen noch leben“, meinte Myrddin.
„Sie werden nicht vermeinen, weiterhin leben zu können, Myrddin.“
„… und ihre Luft ist in unserem Licht verbrannt“, ergänzte Kent.
„Wohlan … ihr stolzen Vanyar. Gedenkt der Wölfe.“
„So werden wir des Winters.“
„Habt meinen Dank für unsere Reise, ihr wundervollen Lichtgestalten …“
„Und du … hab Dank für die Liehihihider …“
„Was ist es, das dir noch fehlt …?“
„Es ist der Staub der Zeit, den ich mir aus den Haaren waschen werde, nicht mehr … und doch, auch meine
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