Mythica 06 - Goettin des Sieges
ziemlich blass aus.
»Prinzessin«, sagte der Mann in der Nische, der inzwischen zu seinem Kollegen auf die Plattform getreten war, »jetzt seid Ihr in Sicherheit. Unsere heiligen Mauern werden Euch immer vor den Griechen beschützen – darauf geben wir Euch unser Wort.«
Obwohl Kat sich vorkam wie der größte Esel des Universums, lächelte sie die beiden mit unschuldiger Bewunderung an. »Ich danke euch, ihr Lieben«, sagte sie und fand, dass sie sich anhörte wie Venus. »Ich habe euch Wein aus meinen eigenen Gemächern mitgebracht«, fügte sie dann noch hinzu, gab jedem einen Kelch und goss rasch eine gute Portion Wein hinein. »Auf die trojanischen Krieger!«, rief sie unter Tränen und reckte die Faust in die Luft.
Die Männer warfen einander fragende Blicke zu. Dann wiederholten sie: »Auf die trojanischen Krieger!«, und setzten ihre Kelche an die Lippen.
»Jetzt geht es mir schon ein bisschen besser«, plapperte Kat weiter. »Hier, nehmt noch etwas.« Gerade wollte sie den Krug heben und dem ersten Mann einschenken, als sich ein schockierter Ausdruck auf dessen Gesicht ausbreitete. Rasch warf sie dem anderen einen Blick zu. Er hatte die Stirn gerunzelt, als wollte er eine Frage stellen und hätte vergessen, was es war. Dann fingen beide an zu schwanken und kippten bemerkenswert leise nach hinten um, als hätte eine riesige Hand ihnen einen Schubs gegeben. Kat beugte sich über sie und stellte fest, dass sie friedlich schnarchten, dann hob sie das Schwert auf, das dem einen aus der Hand gefallen war. Als sie den Griff packte, staunte sie, wie schwer es war, freute sich aber an dem Gewicht in ihrer Hand. Vielleicht konnte sie so ihr Zittern besser unter Kontrolle halten. Behutsam trat sie zu den Hebeln und spähte durch das längliche, schmale Fenster hinunter auf das Schlachtfeld.
Die Dunkelheit war inzwischen schiefergrau, und mit der Dämmerung war auch Thetis’ Nebel aufgezogen. Wie Wellen wogte er über das Schlachtfeld, berührte den Olivenhain, ergoss sich dann ungehindert über die blutverkrustete Weite, die die Mauern von Troja umgab. In seiner jenseitigen Schönheit wirkte er wie ein Traum, aber für wen sich dieser Traum in einen Albtraum verwandeln würde, war noch abzuwarten.
Im Nebel sah Kat Gestalten, Schatten in der Dunkelheit, geisterhafte Formen, Männer, und vor ihnen das Wesen, das einmal Achilles gewesen und jetzt selbst ein Albtraum geworden war.
Er hatte das Schlachtfeld nicht verlassen, sondern die ganze Nacht die Pferde angetrieben, immer rund um die Mauern von Troja, den Körper des Prinzen hinter sich herschleifend. Nur wenn die Pferde vor Erschöpfung auf die Knie fielen, hatte er angehalten, ein neues Gespann angefordert, und sobald Automedon ihm frische Pferde brachte, setzte er seine grausige, eintönige Reise fort. Kat wusste es, denn sie hatte von ihrem Fenster die ganze Nacht über wie unter einem Zwang zugeschaut, mit dem Gefühl, dass jemand Achilles bewachen musste, jemand, der ihn liebte, jemand, der trotz allem an ihn glaubte.
Kat legte die Hände auf die Hebel, schloss die Augen und drückte sie nach unten.
Der Klang der massiven Ketten, die klirrend zum Leben erwachten, war entsetzlich laut in der schuldbewussten Stille. Angestrengt hielt Kat die Augen auf die Geisterschatten gerichtet, die sie im Nebel erspähte, und schon bald war sie sicher, die charakteristische Gestalt von Odysseus zu erkennen, der seine Männer immer näher an die langsam sich öffnende Mauer heranführte. Selbst verborgen im magischen Nebel, schien ein Licht von ihm auszugehen – sicher der Beweis von Athenes Gunst. Kat flüsterte ein Gebet an die Göttin, während sie zu Odysseus hinausstarrte. Er ist ein guter Mann, und er liebt dich sehr. Bitte beschütze ihn, Athene.
Auf einmal ertönte von unten ein Schrei. Ein Mann auf der Straße hatte bemerkt, dass das Tor sich öffnete, obgleich nirgendwo die kampfbereite trojanische Armee zu sehen war.
Hastig rannte Kat zurück zu der Tür, die auf die Galerie führte, und schob den Riegel vor. Dann schleifte sie die schlafenden Wachen in die Nische und drückte sich möglichst unauffällig an die innere Mauer, aber die Schreie wurden immer lauter, während das Tor sich unerbittlich weiter öffnete. Kat konnte sehen, dass es bereits weit genug offen stand, um drei Männern nebeneinander Zutritt zu gewähren.
»Schließt das Tor! Ihr Narren! Niemand hat befohlen, das Tor vor Mittag zu öffnen!«, ertönte das Kommando.
Kat ignorierte
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