Mythor - 051 - Vorstoß in die Schattenzone
erregt, und neue Hoffnung überkam ihn, dem Freund helfen zu können.
»Er ist im Schlund«, sagte Nayna und stützte sich auf. Sie sah Luxon und Hrobon abwechselnd aus großen, flehenden Augen an. »Vielleicht ist ihm noch zu helfen, wenn es einer wagt, in den Schlund hinabzusteigen. Ich kann euch den Weg zeigen.«
»Ich…«, sagten Hrobon und Luxon wie aus einem Mund. Sie sahen einander kurz an, und dann sagte Hrobon: »Wir werden versuchen, Mythor zu helfen. Aber du bleibst hier, du bist verwundet. Es wird sich schon jemand finden, der uns führt.«
Aber Nayna schüttelte den Kopf.
»Der Kampf gegen die Dunkelmächte ist in vollem Gang«, sagte sie. »Es würde zu lange dauern, bis ihr jemanden findet, der euch zum Schlund bringt. Ich aber fühle mich kräftig genug dazu.«
»Wenn du darauf bestehst«, gab Luxon nach.
Er half Nayna auf die Beine und sah zu, wie sie die ersten vorsichtigen Schritte tat. Sie sah auf und lächelte Luxon tapfer zu.
»Ich werde es schaffen«, versicherte sie. »Aber vielleicht werdet ihr mich beschützen müssen. Albion, der weiß, dass ich sein Geheimnis kenne, lässt mich von den Erleuchteten Garden jagen.«
»Dann hat Albion Mythor doch auf dem Gewissen?« erklang da Sadagars Stimme. Der Steinmann hatte seine Messer eingesammelt und war gerade zurechtgekommen, um Naynas letzte Worte zu hören.
Die Frau nickte und sagte: »Ich habe es von einem der drei Gardisten erfahren, die in Albions Auftrag Mythor in den Schlund warfen.«
Während auf dem Turm der Kampf gegen die Drachen weiterging, stiegen Luxon, Sadagar und Hrobon hinter Nayna die Treppe zur Straße hinunter.
*
Zwischen den Häusern war man vor den Drachen einigermaßen sicher.
Die Luft war immer noch vom schrillen, hohen Singen der Windharfen erfüllt, obwohl viele der Saiten gerissen waren. Aber oft war zu sehen, wie junge Männer oder Mädchen, Seile um die Schultern geschlungen, die Masten hochkletterten, um die Saiten neu zu spannen.
Luxon beobachtete mit angehaltenem Atem ein Mädchen, das sich auf der Spitze eines Mastes mit bloßen Händen eines Drachenvogels zu erwehren versuchte. Sie wäre verloren gewesen, hätte nicht der Schütze an einer Riesenarmbrust den Drachen mit einem wohlgezielten Schuss aus der Luft geholt.
»Logghard wird nicht untergehen«, sagte Luxon überzeugt. Als er sah, dass Sadagar ihn anblickte, fügte er hinzu: »In Sarphand habe ich gelernt, ums Überleben zu kämpfen. Aber ich musste erst nach Logghard kommen, um Menschlichkeit kennenzulernen.«
»Nanu, wurde hier ein neuer Luxon geboren?« fragte Sadagar erstaunt.
»Nein, ich bin dennoch der alte geblieben, so seltsam es klingen mag«, erwiderte Luxon.
Nayna hatte sich rasch erholt. Sie schritt rasch aus und suchte sich zielstrebig ihren Weg. Sie passierten das Tor in einer der Stadtmauern, und Nayna sagte: »Vor uns liegt noch der vierte Wall. Dem fünften weichen wir durch die Unterwelt aus, denn gleich dahinter liegt der Schlund.«
Sie kamen durch eine Gasse, die stufenförmig hinab zum vierten Wall führte. Entlang der Hauswände ruhten sich abgekämpfte Krieger aus, warteten Verwundete darauf, versorgt zu werden. Frauen brachten aus einer nahen Schenke Tablette, die mit Brotfladen und Fleisch beladen waren, Weinkrüge wurden herumgereicht.
Plötzlich erklang Hufgetrappel, das die Gasse heraufkam. Ein Schreien hob an, Männer und Frauen drängten in die Häuser, die Krieger griffen zu den Waffen, und die Verwundeten saßen wie benommen da und hoben die Arme schützend vor die Gesichter.
»Weich zurück, Nayna!« rief Sadagar dem Mädchen zu, das ihnen vorausgeeilt war. »Sonst wirst du von den Geisterreitern niedergetrampelt.«
»Es ist nur ein Spuk!« rief das Mädchen zurück.
Doch kaum hatte sie es gesagt, als die Geisterreiter plötzlich wie aus dem Nichts auftauchten. Sie waren in diesem Moment nicht mehr durchscheinend, und das Geräusch, das die Hufe ihrer Pferde auf dem Straßenpflaster verursachten, zeugte davon, dass sie nun voll in diese Welt zurückgekehrt waren.
Sadagar erkannte, dass der Reiter an der Spitze ein ugalisches Drachenwappen trug. Als der Bannerträger an ihm vorbeiritt, verspürte er einen starken Luftzug.
Zwei Loggharder waren von den Pferden der Geisterreiter umgerannt worden, ein dritter wurde vom Schwert eines Reiters getroffen. Ein anderer Loggharder versuchte, einen der Geisterreiter mit einer Lanze aus dem Sattel zu holen, doch obwohl er richtig zielte, stieß er ins Leere, denn
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