Mythor - 131 - Der goldene Strom
Deine Schwärze prallt an mir ab. Ich habe dich in die Enge getrieben, du entkommst mir nicht mehr.«
»Kann dieses… dieses Schwarz dich denn hören?« fragte Gerrek.
»Es hört sogar meine Gedanken, unser aller Gedanken«, antwortete Mythor diesmal bereitwillig. »Dieses Schwarz, wie du es nennst, ist die Kraft, die dieses riesige Ungetüm lenkt. Es ist sein Geist, sein Herz – sein alles. Ohne dieses Schwarz wäre dieses Tier nur ein Fleischberg ohne Verstand. Das Schwarz ist für dieses Tier das, was Caeryll für Carlumen ist.«
»Ein Dämon?« fragte Sadagar.
»Nein, eher ein Deddeth«, antwortete Mythor. »Aber nur in weiterem Sinn. Es hat mich über die DRAGOMAE-Kristalle aufgespürt und geglaubt, daß es mit mir leichtes Spiel haben würde. Aber das war nur im ersten Moment so. Als ich mich wieder in die Kristalle vertiefte, da verstand ich ihre Kraft besser zu handhaben und konnte den Spieß umdrehen. Aufgepaßt jetzt!«
Mythor stieß unvermittelt mit Alton zu, und als er die leuchtende Klinge zurückzog, zappelte das unförmige Schwarz daran. Mythor hatte das schattenhafte Ding aufgespießt.
»Und jetzt, mein Kleiner, wirst du uns sicher an Bord von Carlumen geleiten«, sagte Mythor zu dem Schwarz. Mit erhobenem Schwert wandte er sich um und trat aus der Nische aus zuckenden Fleischwänden. Plötzlich quoll aus unzähligen Poren eine gelblich wirkende Flüssigkeit. Die Perlen schwollen zu Tropfen an, die die Fleischwände hinunterflossen. Für Sadagar sah das fast so aus, als weine der Yarlfresser in seinem Innern.
Gerrek und Sadagar machten Mythor Platz und folgten ihm durch das von Gewebeschleiern verhangene Gewölbe. Die Gespinste wichen vor ihnen zurück. Sadagar stellte mit einem Blick nach oben fest, daß sich die Magendecke allmählich zu senken begann. Das schien ihm der sichtbare Beweis dafür zu sein, daß der Organismus sich darauf einstellte, auf das Verschlingen der gewaltigen Beute zu verzichten.
Carlumen schien gerettet.
»Kommt dem Schattending nicht zu nahe«, warnte Mythor, als Gerrek an ihm vorbei wollte, um vor ihm durch die Muskelöffnung zu treten. »Ich möchte nicht, daß es sich an einem von euch festsetzt.«
Der Beuteldrache wich erschrocken zurück.
Die Muskelöffnung hatte sich weit gedehnt, so daß sie mühelos und aufrecht passieren konnten. Nachdem sie auch den Schlund passiert hatten und sich keine der klebrigen Fangstränge hatten sehen lassen, konnten sie ungehindert durch die Fluchtklappe im Maul des Widderkopfes schlüpfen und über die Treppe auf die Brücke gelangen.
Die Wand aus Lebenskristallen leuchtete knisternd auf, und Caeryll meldete sich mit besorgter Stimme:
»Du treibst ein gewagtes Spiel, Mythor. Wenn dieser Schatten sich nun auf mich stürzt…«
»Die Kraft der DRAGOMAE-Kristalle lähmt ihn«, fiel ihm Mythor ins Wort. »So wie du zuvor von der Schwarzen Magie dieses Schattenbündels gelähmt wurdest.«
»Schaff ihn fort!« verlangte Caeryll.
Mythor lachte darauf nur, während er die Brücke verließ und sich auf den Aufstieg zur Plattform des Bugkastells machte. Sadagar warf im Vorbeigehen einen Blick auf den Steuertisch, wo die acht DRAGOMAE-Kristalle in unveränderter Stellung lagen. Und er fragte sich, was mit Mythor passiert wäre, wenn er Gerrek nicht daran gehindert hätte, die Konstellation der Bausteine zu verändern.
Mythor war wirklich ein großes Wagnis eingegangen, da er keinen von ihnen über sein Vorgehen informiert hatte.
Auf dem Bugkastell wurde nicht mehr gekämpft. Die Krieger waren zurückgewichen und verhielten sich abwartend. Glair wirkte völlig erschöpft und stützte sich auf die Zinnen.
Fronja eilte Mythor entgegen. Und während sie ihre Blicke nicht von dem von Alton aufgespießten Schattending ließ, sagte sie:
»Glair hat deinen Kampf mitverfolgt und auch mich daran teilhaben lassen. Wir haben alle um dich gebangt, Mythor.«
»Jetzt ist es vorbei«, meinte Mythor lachend. »Für euch mag es schlimmer ausgesehen haben, als es war. Es besteht kein Grund mehr, sich vor diesem Wicht zu fürchten.«
Fronja schauderte.
»Vernichte es.«
Aber Mythor schüttelte den Kopf.
»Ich habe eine bessere Idee.«
Carlumen klebte noch immer an dem steil aufragenden Wall, den die Schattenzone an dieser Stelle bildete, und wurde von einer schmutziggrauen, blasenwerfenden Brühe umspült.
Der Yarlfresser war nicht mehr so aufgebläht wie zuvor. Sein Körper wirkte eingefallen und hing schlaff vom Bug der Fliegenden Stadt.
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