War against people
NOAM CHOMSKY
WAR AGAINST PEOPLE
MENSCHENRECHTE UND SCHURKENSTAATEN
Aus dem Amerikanischen von Michael Haupt
Europa Verlag Hamburg Wien
Originalausgabe »Rogue States. The Rule of Force in World Afifairs«
Deutsche Erstausgabe
© Europa Verlag GmbH Hamburg/Wien, September 2001
ISBN 3-203-76011-8
Inhalt
I. Eine Galerie der Schurken -Wer gehört dazu?
II. Schurkenstaaten
III. Kuba und die US-Regierung: David gegen Goliath
IV. Jubeljahr 2000
V. »Die Rechte zurückerlangen«: Ein dornenreicher Weg
VI. Die Erblast des Kriegs
VII. Sozioökonomische Souveränität
Glossar
Zeitschriften-Siglen
Zitierte Bücher von Noam Chomsky
Zum Autor
I. Eine Galerie der Schurken- Wer gehört dazu?
Wie viele andere Begriffe des politischen Diskurses wird der Terminus »Schurkenstaat«
auf zweierlei Weise verwendet: zum einen propagandistisch, um ausgewählte Feinde zu
kennzeichnen, zum anderen wörtlich, um damit Staaten zu beschreiben, die sich selbst an
internationale Regeln und Abmachungen nicht gebunden fühlen. Die Logik läßt erwarten,
daß die mächtigsten Staaten unter die zweite Kategorie fallen, sofern ihnen nicht
innenpolitische Beschränkungen auferlegt werden. Diese Erwartung wird von der Geschichte
bestätigt.
Auch wenn internationale Regeln und Abmachungen nicht durchweg streng festgelegt sind,
so gibt es doch ein gewisses Maß an Übereinstimmung, was allgemeine Richtlinien betrifft.
In der Epoche nach dem Zweiten Weltkrieg sind diese Richtlinien zum Teil durch die UN-
Charta, Entscheidungen des Internationalen Gerichtshofs und verschiedene Abkommen und
Verträge kodifiziert worden. Die USA fühlen sich an diese Normen nicht gebunden und
benötigen für deren Verletzung seit dem Ende des Kalten Kriegs, der ihnen die weltweite
Vorherrschaft bescherte, nicht einmal mehr irgendwelche Vorwände. Diese Tatsache ist
nicht unbemerkt geblieben. Im Mitteilungsblatt der American Society of International Law
(ASIL; Amerikanische Gesellschaft für Internationales Recht) hieß es im März 1999, daß
»das internationale Recht in unserem Land mittlerweile weniger hoch geachtet wird als zu
irgendeiner anderen Zeit« in diesem Jahrhundert; und auch der Herausgeber der Fachzeitschrift
der ASIL hatte kurz vorher beklagt, daß Washingtons Nichtachtung vertraglicher
Verpflichtungen »auf alarmierende Weise zugenommen« habe.1
Das diesem Verhalten zugrundeliegende Prinzip wurde 1963 von Dean Acheson formuliert,
als er die ASIL darüber in Kenntnis setze, daß die »Angemessenheit« einer Reaktion auf eine
»Bedrohung ... der Macht, der Position und des Prestiges der Vereinigten Staaten ... kein
Gegenstand des Rechts« sei. Das intitutionelle Recht, hatte er zu einem früheren Zeitpunkt
erklärt, ist nützlich, um »unsere Position mit einem Ethos zu vergolden, das aus höchst
allgemeinen, in die Rechtslehre eingegangenen, Moralprinzipien abgeleitet ist«. Aber die
USA sind daran nicht gebunden.2
Acheson bezog sich mit seiner Bemerkung vor allem auf die Kuba-Blockade. Kuba ist seit
vierzig Jahren eines der Hauptziele US-amerikanischer Wirtschafts- und Terrorkriege - und
war es schon vor der geheimen Entscheidung von 1960, die Regierung zu stürzen. Die
kubanische Bedrohung wurde von Arthur Schlesinger verdeutlicht, der in einem Bericht der
Lateinamerika-Mission an den zukünftigen Präsidenten Kennedy zu folgenden Aussagen
gelangte: Es sei »die Verbreitung von Castros Idee, die Sache in die eigenen Hände zu nehmen«,
wodurch die »Armen und Unterprivilegierten« in anderen Ländern ermutigt würden, wie
Schlesinger später formulierte, »jetzt bessere Lebensbedingungen zu fordern«. Das wurde
auch der »Viruseffekt« genannt. Damals stand der Kalte Krieg im Vordergrund: »Die
Sowjetunion hockt gleichsam in den Startlöchern, winkt mit beträchtlichen
Entwicklungsgeldern und stellt sich als Modell dar, wie man die Modernisierung innerhalb
einer Generation erreichen kann.«3
Es kann nicht überraschen, daß sich die US-Attacken nach dem Zerfall der Sowjetunion
verschärften. Die Maßnahmen wurden weltweit verurteilt: durch die Vereinten Nationen,
die Europäische Union, die Organisation amerikanischer Staaten (OAS) und ihre
Rechtsinstitution, das Inter-American Juridical Committee, das ebenso wie die
Interamerikanische Menschenrechtskommission, einmütig die Verletzung internationalen
Rechts durch die USA anprangerte. Nur wenige zweifeln daran, daß die Maßnahmen der
USA
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