Na Servus! Wie ich lernte, die Bayern zu lieben
mehr als genug. Die Menge tobt, dass der Schweiß nur so von der Decke tropft. Und Regina steht mittendrin. «Die Musik ist ja flott», findet sie und kreist wild mit den Hüften. «Ordentlich angezogen sind die Buben auch. Aber die könnten sich a bisserl die Haare wachsen lassen. Wann kommt denn unsere Vroni an die Reihe?»
«Als Nächstes.»
Eine halbe Stunde später stehen Jam I qualmend neben der Bühne und hören sich die letzte Zugabe von Oioioi an. Roni zupft an ihrem kurzen Kleidchen, Knoll poliert mit dem Hemdsärmel seine Trompete. Dann ist es so weit. Beppi tritt auf die Bühne.
«Okay!», ruft er ins Mikrophon. «Die nächste Band kennt wahrscheinlich keiner von euch, aber sie rocken.»
Bumms verdreht die Augen. «Wia dea immer redt!»
«HIER SIND JAM I!», ruft Beppi und klemmt das Mikrophon wieder in den Ständer.
Ich drehe mich um und sehe Roni ins Gesicht. Ihr Lächeln hat nichts Artiges mehr, es ist das herausfordernde Grinsen einer Stripperin. Mit dem dazu passenden Gang schlendert sie ins Rampenlicht. Ein Raunen geht durch die Menge. Nur in sehr innigen Momenten habe ich sie so sexy erlebt. Jede Faser ihres Körpers schreit Provokation. Sie ergreift das Mikrophon und raunt neckisch: «Grüß Gott.»
Bumms haut die Trommelstöcke zusammen: «Oanszwoa – oans-zwoa-dreivier.» Trompetenstoß, und ab geht’s.
Vom ersten Ton an haben Jam I die Menge im Griff. Roni rockt um den Mikrophonständer, singt und schreit ihre Texte, der Schweiß läuft ihr über das Gesicht. Knoll und Huberfranzl schmettern den Berlinern eine Fanfare nach der nächsten um die Ohren. Lässig am Bass: der General. Johannes haut in die Tasten und unterstützt Roni beim Refrain. Die beiden harmonieren auf eine erschreckend schöne Weise, wie Black Francis und Kim Deal von den Pixies.
Nach dem vierten Stück steht keiner mehr still. Alles drängt nach vorn. Roni kommt zum Bühnenrand, ich reiche ihr eine Flasche Wasser. «Wie bin ich?», fragt sie nach einem tiefen Schluck. «Ich liebe dich!», rutscht es mir heraus. Doch dafür hat Roni jetzt keine Zeit – das Publikum fordert mehr Musik. «Imma mit da Ruh», brummt Johannes ins Mikrophon. «Des Madl busselt grad.» Gelächter.
Roni küsst mich auf den Mund, stößt sich ab und kehrt zurück ins Rampenlicht. Am Seitenrand haben sich jetzt auch die Skatalites versammelt. «Is dad your gal?», fragt mich der weißhaarige Rasta. Ich nicke glücklich.
«Big up», sagt er und hält mir die Faust zum Gruße hin.
Jam I rocken das Molotow in Grund und Boden. Nach dem zehnten Lied versuchen sie von der Bühne zu gehen, werden aber unter ohrenbetäubendem Applaus zur Zugabe zurückgerufen. Noch einmal spielen sie «Shame and Scandal», und diesmal singt das ganze Molotow geschlossen den Refrain mit:
Ooohhh, Berlin,
MIA soitn besser nach Bayern ziehn.
Nach elf Songs sind die Musiker schweißgebadet und völlig erschöpft. Das Publikum auch. Ich bin so stolz, als wäre ich Vater geworden – und so verliebt in Roni, wie man es nur ein Mal in seinem Leben ist. Wie ferngesteuert wandle ich auf die Bühne. Knoll räuspert sich und legt die Lippen ans Mikro: «Des is übrigens da Waschtl.» Das Publikum lacht. «Dea is bekannt fia seine Bühnenshows.»
Diesmal, das spüre ich, werde ich Knoll so richtig überrumpeln. Es muss sein. Ich küsse Roni auf die Wange und trete ans Mikrophon. «Knoll, ich muss dich etwas Wichtiges fragen.»
Bumms spielt einen Tusch. Es wird ruhig im Saal. Knoll schaut misstrauisch. Ich hole tief Luft. Wie von selbst strömen die Worte aus meinem Mund: «Ich denke, es gibt keinen besseren Ort und keinen besseren Moment als diesen. Vor allem gibt es für mich keine bessere Frau.»
Roni macht einen Knicks.
«Knoll, ich möchte um die Hand deiner Tochter anhalten. Darf ich Roni heiraten?»
Knolls Kinnlade klappt herunter. Er setzt die Trompete ab und nimmt beide Hände vor den Mund.
Aus dem Publikum fordert eine Stimme: «Los, Alta!» Eine andere ruft: «Sontz nehm ick se!» Knoll zuckt merklich zusammen. Schließlich nimmt er die Hände wieder vom Gesicht. Er setzt seinen Hut ab und schaut uns aus seinen gütigen Augen an. Sein Mund nähert sich dem Mikrophon. Ich höre einen tiefen Seufzer. Und dann die Worte:
«Des passt scho.»
DANK
Vielen Dank an meine Familie und meine Freunde für unsere Abenteuer, Erfahrungen, ihr Verständnis und ihre Liebe.
Für konkrete Unterstützung, Kritik und Ideen bei der Arbeit an diesem Buch danke ich besonders
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