Nach dem Sturm
unten. Wissen wir, was uns bald von oben attackieren könnte? Wieder ein Problem. Kaum haben wir ein Feuer gelöscht, bricht irgendwie, irgendwo ein anderes aus, nicht wahr? Und du missgönnst einem alten Mann ein gutes Steak, obwohl er jeden Tag den Kopf für diese Stadt hinhält.“
Er sieht mich anklagend an. Ich blicke zu Boden und schüttle den Kopf. Dann sehe ich ihm in die Augen. „Es geht mir nicht um das Steak, Takumi. Iss so viele davon, wie du willst. Friss dich satt, bau dir noch so ein Penthouse und nimm zwei Limousinen dazu. Ist mir völlig egal. Mir geht’s um Carl und Sophie und die anderen. Hast du wirklich zugesehen, wie Kelloggs IFIS ihnen das angetan hat? Hast du so viel Angst davor, dein kleines Königreich wieder zu verlieren, dass niemand mehr anderer Meinung sein darf? Willst du alle beseitigen, die dir widersprechen, damit du an der Macht bleiben kannst?“
Sato schüttelt nachsichtig den Kopf. „Du bist einfach zu nett, Jefferson. Oder vielleicht auch einfach zu naiv. Wusstest du, dass die IFIS Waffen und Rohrbomben bei Carl und Sophie gefunden hat? In einem geheimen Fach hinter der Holzvertäfelung.“
Die zertrümmerte Holzvertäfelung im Angelladen blitzt vor meinem inneren Auge auf. Bomben? Waffen? Versucht Sato, mich zu manipulieren, oder sagt er die Wahrheit?
„Du überlegst, ob ich lüge, stimmt’s, Jefferson? Aber habe ich dir je etwas anderes gesagt, als die reine Wahrheit? Auch als es ganz schlimm um unsere Sache stand und Hudson uns an die Wand gedrängt hatte, hab ich dich nie belogen, oder?“
Ich schweige. Er hat recht. Sato hat die Dinge immer beim Namen genannt, wo andere längst Ausflüchte suchten. Er macht einen Schritt auf mich zu, legt mir die Hand auf die Schulter.
„Es geht um die Zukunft, Jefferson. Nicht mehr und nicht weniger. In ein, zwei Monaten sind die Versorgungsprobleme vielleicht gelöst. Aber was dann? Neue Probleme werden kommen. Wir müssen vielleicht noch eine lange Zeit hier bleiben und die Leute brauchen uns! Wir haben nicht eine neue Ordnung erkämpft, um sie uns wieder aus den Händen nehmen zu lassen. Die Alten, die Generation deines Vaters, Jefferson, die sind nicht das Problem. Die wissen, dass sie ausgedient haben. Aber wenn wir unseren Kindern eine Zukunft geben wollen, dann müssen wir dafür sorgen, dass sie die richtigen Lehrer der neuen Generation haben. Und wir müssen uns von den falschen Lehrern trennen. Von Leuten wie Carl und Sophie, die das Chaos wollen und den Menschen dieser Stadt jede Chance auf eine gerechte Zukunft verbauen.“
Satos Worte sind wie ein süßes Gift, das er in meinen Kopf träufelt. Es klingt so falsch und doch so richtig, was er sagt. Ich schüttle den Kopf. „Sag es mir! War das Kelloggs Idee oder deine? Hast du den Befehl gegeben, sie zu verhaften? Wer kommt als nächstes? Floyd? Walt? Ich? Willst du alle alten Kämpfer ausschalten, wenn sie nicht nach deiner Pfeife tanzen?“
Sato lächelt versonnen. Seine Stimme ist sanft. „Es geht doch um die Kinder, Jefferson. Um die Zukunft. Sie brauchen die richtigen Lehrer. Und ich brauche dich, Jefferson. Willst du der Lehrer dieser Kinder werden? Der große Lehrer dieser Stadt? Willst du?“
Er wartet meine Antwort nicht ab, sondern geht zurück zum Waschbecken mit der Riesenassel, dem Greybug. „Man kann sie nicht zerdrücken, wie du gesehen hast. Es gibt eigentlich nur zwei Möglichkeiten, wie man sie loswird. Man kann sie verbrennen oder ...“ Er greift zu einem großen Tranchiermesser, das neben der Spüle liegt. Das Holz ist stumpf, die Klinge von jahrelangem Schliefen schmal geworden. Der Stahl ist blitzblank. Er hält den Greybug fest, als wäre es ein Laib Brot und treibt dann die Klinge von oben mit einem kräftigen Stich in den Panzer. Das Tier zuckt und windet sich, doch Satos Griff ist eisern. Er sägt mit der Klinge mitten durch das Tier und eine gelbliche, zähe Flüssigkeit, die einen üblen Geruch verströmt, quillt aus dem Panzer in das Waschbecken. Das Insekt krümmt sich, dann erlahmen seine Bewegungen.
„Man kann diese Schädlinge einfach zerschneiden, Jefferson. Und Schädlinge sind sie ohne Zweifel. Sie sind ein Problem für diese Stadt und ich lasse Probleme für diese Stadt nicht zu. Ich will wissen, ob man mir bei ihrer Lösung hilft, oder selber Teil des Problems wird.“
Sato lässt das Messer sinken und die gelbliche Flüssigkeit tropft von der Klinge auf den Fliesenboden. Dann blickt er mich stechend an. Seinen Augen
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