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Nach uns die Kernschmelze

Nach uns die Kernschmelze

Titel: Nach uns die Kernschmelze Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Spaemann
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was wir im Augenblick wahrzunehmen und zu genießen vermögen, würde jeden Genuss zerstören, denn zu diesem gehört ein Hintergrund der »Unerschöpflichkeit«. Zu wissen, dass das Wissbare und Sichtbare immer mehr ist als das aktual Gewusste und Gesehene, ist eine Bedingung dafür, dass der Mensch in der Welt heimisch sein kann.
    Wenn wir jedoch nicht unsere augenblicklichen Bedürfnisse oder die von uns voraussehbaren Bedürfnisse unserer Nachkommen als letzten Maßstab zugrunde legen, verfügen wir über kein Kriterium der Selektion, nach welchem wir »lebenswerte« und »lebensunwerte«Arten unterscheiden können. Es ist deshalb vernünftig und konsequent, dass die Vereinigten Staaten angesichts der wachsenden Bedrohung des Lebens auf der Erde ein Gesetz verabschiedet haben, wonach es unter keinen Umständen mehr erlaubt ist, eine Tierart zu vernichten. Vor Kurzem wurde es gerichtlich untersagt, einen Staudamm in Tennessee in Betrieb zu nehmen, weil dadurch eine bestimmte kleine Fischspezies, die nur an dieser Stelle existiert, vernichtet worden wäre. Man hat versucht, an diesem Beispiel die Absurdität des Verbots zu erweisen. Das Gegenteil ist richtig. In der Tat haben wir nicht das Recht, unsere augenblicklichen Wertschätzungen, also das, was uns wichtig erscheint, zum Maßstab dafür zu machen, was wir künftigen Generationen als natürliches Erbe hinterlassen. Da wir dieses Erbe nicht vermehren und nicht ergänzen können, können ja unsere Eingriffe in den Bereich des Lebens immer nur auf Herbeiführung eines status quo minus hinauslaufen. Darum ist es falsch, bei Entscheidungen dieser Art das Prinzip fallweiser Güterabwägung statt eines generellen Verbots einführen zu wollen.
    Immer hat der Mensch die Erde transformiert. »Kultur« heißt Ackerbau, das heißt Symbiose von Natur und menschlicher Arbeit. Aber die Fortdauer der Kultur hängt daran, dass bei dieser Transformation keine irreversiblen Veränderungen des natürlichen Substrats dieser Symbiose vorgenommen werden. Das Leben ist älter als der Mensch. Er kann Leben bis heute nur vernichten, nicht schaffen. Eine der gewaltigsten Leistungen desMenschen war die Züchtung von Kulturpflanzen und Haustieren. Aber weder wurden durch diese Züchtungen die wilden Stämme zum Verschwinden gebracht, noch geschah die Transformation durch Eingriff in das genetische Substrat. Es handelte sich nur um die geplante Steuerung natürlicher Ausleseprozesse. Allerdings hat auch dieser Eingriff Formen angenommen, die sich nicht mehr verantworten lassen. Wo die Züchtung von Tieren diese nur als Fleischmasse betrachtet und dabei von der Frage nach so etwas wie einem tiergemäßen Leben, nach irgendeiner Art von Wohlbefinden des Tieres völlig absieht, wo die ökologische Nische, in welcher jede Tierart angesiedelt ist, von Anfang an durch das Schlachthaus definiert wird, da ist die Basis eines symbiotischen Umgangs mit dem Lebendigen verlassen. Nicht das Töten von Tieren ist das Problem. Das Problem beginnt dort, wo die Nutzung nach dem Tode den einzigen Gesichtspunkt abgibt für unseren Umgang mit dem Lebendigen.
    Bei der Transformation der Erde durch die Kultur werden auch Güter verbraucht, die für spätere Generationen nicht mehr zur Verfügung stehen. Sofern es sich dabei um Güter handelt, deren einziger Wert im möglichen Verbrauch liegt – um Salz zum Beispiel oder um organische Relikte wie Öl, Erdgas usw. –, ist solcher Verbrauch prinzipiell gerechtfertigt. Denn diejenigen, denen wir diese Güter hinterlassen würden, könnten damit auch nichts anderes machen, als sie zu verbrauchen. Es gibt freilich mehrere Gründe, die uns sparsamstenVerbrauch zur Pflicht machen. Der Übergang zu einem Zeitalter, das ohne diese Güter auskommen muss, kann nur langsam erfolgen, wenn er ohne katastrophale Erschütterungen verlaufen soll; also müssen wir unseren Nachkommen genügende Reserven des sich nicht regenerierenden Kapitals hinterlassen. Es besteht ferner die Wahrscheinlichkeit, dass spätere Generationen von bestimmten Rohstoffen einen qualitativ höheren Gebrauch machen können, dem gegenüber unsere heutige Nutzung Raubbau und Verschleuderung bedeutet. Schließlich darf nicht übersehen werden, dass unsere heutigen Verbrauchsraten (die noch anwachsen) an fossilen Brennstoffen, giftigen Schwermetallen und umweltgefährdenden Mineralien zu irreversiblen Schäden an der Natur des Planeten führen können. Hierzu gehören beispielsweise weiträumige

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