Nach zwei Tagen Regen folgt Montag
nehmen: Es gibt bewundernswert unterhaltsame Bücher über Astronomie, Medizin oder Psychologie, vor allem in Großbritannien und den USA . Geowissenschaften jedoch spielen eine Nebenrolle, sie besitzen in den Massenmedien in etwa den gleichen Stellenwert wie Turmspringen in Sportsendungen – sie gelten oft als Skurrilitäten, die auf den hinteren Seiten stattfinden, falls gerade keine »bunten Meldungen« über eine Königsfamilie oder Ähnliches zu vermelden sind.
Wissenschaftler sind meist überrascht, wenn sie hören, dass die eigentliche Arbeit erst richtig losgeht, wenn die Studien verstanden sind. Dann müssen die Schichten aus Wort- und Zahlengerümpel abgetragen werden, damit die Goldadern der Forschung freiliegen und tatsächlich auch durchscheinen. Für dieses Buch – Nach zwei Tagen Regen folgt Montag – habe ich Geschichten aus der Geoforschung geschrieben; unglaubliche, mysteriöse, haarsträubende, witzige und spannende Geschichten. Los geht es mit einem Fall, der nicht nur Wissenschaftler, sondern auch Polizisten beschäftigt. Es geht um Bomben aus Eis, die vom Himmel fallen. Vom blauen Himmel. Jeder Einschlag verwirrt aufs Neue: Die Eisklötze kommen nicht aus dem All, nicht von Attentätern und nicht aus Flugzeugtoiletten. Aber woher kommen sie dann? Lassen Sie sich überraschen!
Axel Bojanowski, Hamburg, im Winter 2011
1 Frostbomben aus heiterem Himmel
Solch einen mysteriösen Fall hatten die spanischen Polizisten der Guardia Civil noch nicht erlebt. Tathergang und Motiv des Falls blieben im Dunkeln. Auch die Herkunft des Beweisstücks ließ sich nicht klären. Und anstelle eines Täters mussten die Ordnungshüter einen Eisklumpen mit auf die Wache schleppen. Es war am 13. März 2007 um kurz nach zehn Uhr morgens im Städtchen Mejorada del Campo, 20 Kilometer östlich von Madrid, passiert. Am Tatort hatte ein etwa 20 Kilogramm schwerer Frostbrocken ein Loch in das Dach einer Lagerhalle geschlagen. War der gefrorene Trumm etwa vom Himmel gefallen? Bei Sonnenschein? Wohl kaum, meinten die Arbeiter des Lagers; nur ein Anschlag käme infrage – sie riefen die Polizei. Doch weder Polizei noch Wissenschaftler konnten das Rätsel lösen. Untersuchungen im forensischen Labor ergaben, dass Menschen nichts mit der Eisattacke zu tun hatten. Besonders mysteriös ist, dass aus vielen Ländern ähnliche Fälle gemeldet wurden.
Der Geologe Jesús Martínez-Frías vom Zentrum für Astrobiologie in Madrid hat seit 2002 weltweit rund 80 Aufschläge von Rieseneisklumpen dokumentiert, auch aus den Jahrzehnten zuvor sind ihm Dutzende bekannt. Die Frostbrocken können zerstörerisch sein. Sie erreichen oft die Größe einer Mikrowelle, manche gar die eines Schranks. In Toledo, Spanien, sorgte 2004 gar ein 400-Kilo-Koloss für Aufsehen, der ein Mädchen nur knapp verfehlte; das Eis schlug einen beachtlichen Krater. Das Gruselige sei, so Jesús Martínez-Frías, dass anscheinend täglich solche Brocken auf die Erde prasseln. Aufschläge werden allerdings nur bekannt, wenn sie jemand beobachtet. Doch an den allermeisten Orten der Welt gibt es keine Menschen. Wie viele Einschläge also tatsächlich passieren, ist unklar.
Geheimnisvoll klingt auch die Bezeichnung der Eisbrocken: Mega-Cryo-Meteore nannte sie Jesús Martínez-Frías – auf Deutsch: »große eisige Himmelskörper«. Der umständliche Name soll die Brocken vom Hagel unterscheiden, erläutert der Geologe. Die meisten Eisklötze seien schließlich vom heiteren Himmel gestürzt – im Gegensatz zu Hagel, der sich in mächtigen Wolken bildet, wo Wassertröpfchen gefrieren: Hagelkörnchen werden wiederholt durch Aufwinde emporgehievt, wo sich vereisendes Wasser an ihnen niederschlägt und sie wachsen lässt. Größer als zehn Zentimeter werden Hagelkörner allerdings nicht – verglichen mit Mega-Cryo-Meteoren bleiben sie also klein.
Ein spektakulärer Fall aus Deutschland ereignete sich am 27. April 2010. Um 10 Uhr 17 schreckte schrilles Pfeifen, gefolgt von einem Knall, die Anwohner der Straße Brenndörfl in der Gemeinde Hettstadt bei Würzburg auf. Knapp 50 Kilogramm Eistrümmer lagen auf dem Boden, sie hatten eine Kindergartengruppe mit 15 Kindern nur knapp verfehlt. »Der Postbotin sind die Brocken regelrecht um die Ohren geflogen«, erzählte ein Anwohner, in dessen Garten ein dreieckiger Krater klaffte, 22 Zentimeter tief. Zudem war eine Gehwegplatte zersprungen, Äste von Sträuchern waren abgebrochen. Die Anwohner blickten gen Himmel, wo ein
Weitere Kostenlose Bücher