Nach zwei Tagen Regen folgt Montag
paar Schönwetterwölkchen schwebten – Hagel schien ausgeschlossen. Was war geschehen?
Die Eisbombe von Hettstadt war ein Sonderfall – ihre Herkunft ist inzwischen geklärt: Eine Boeing 737-700 auf dem Weg von Dortmund nach Thessaloniki überflog die Ortschaft um 10 Uhr 12 in 10.730 Meter Höhe, hat Frank Böttcher vom Institut für Wetter- und Klimakommunikation ermittelt. »Bei freiem Fall von diesem Flugzeug aus ergibt sich ein Einschlag kurz vor 10 Uhr 17, dem beobachteten Zeitpunkt«, berichtet er. Luftfahrtexperten wissen, dass sich an Verkehrsmaschinen mitunter Eis bilden kann, etwa an undichten Ventilen. Die meisten Eisklötze jedoch stammen nicht von Flugzeugen. Nachdem etwa im Januar 2000 in Südspanien ein Eisklumpen die Windschutzscheibe eines Autos zertrümmert hatte, fragte Martínez-Frías umgehend bei der Luftaufsichtsbehörde nach – es hatte keine Überflüge der Region gegeben. Auch die Einwände anderer Wissenschaftler, möglicherweise seien kleine, nicht dokumentierte Privat- oder Militärmaschinen verantwortlich, weist Martínez-Frías zurück. Der Geologe hat Berichte über Rieseneisklumpen aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts entdeckt, aus einer Zeit also, als es noch gar keine Flugzeuge gab.
Allmählich gehen den Wissenschaftlern die Ideen aus, mit denen das Phänomen der Mega-Cryo-Meteore erklärt werden könnte, eine Theorie nach der anderen mussten sie fallenlassen. So gab es etwa die These, dass die Eisklumpen ihrem Namen Ehre machen und aus dem Weltall stammen. Diese Annahme wurde durch eine Isotopenanalyse der Eisbrocken jedoch längst widerlegt: Je nach Herkunft bestehen Wassermoleküle (chemische Formel: H 2 O) aus unterschiedlich schweren Wasserstoff- (H) und Sauerstoffatomen (O). Die Analyse der Frostbomben ergab, dass sie aus der Erdatmosphäre stammen: Mega-Cryo-Meteore haben die gleiche Isotopensignatur wie Regentropfen. Woher aber sollten die Eiskolosse dann kommen?
Berichte der NASA schienen zumindest die Attacke auf das Auto in Südspanien im Januar 2000 aufklären zu können. Satellitendaten der Raumfahrtbehörde offenbarten, dass die Ozonschicht über der Gegend in den Tagen vor dem Einschlag ausgedünnt war. Sonnenstrahlung drang deshalb vermehrt in die untere Atmosphäre, obere Luftschichten kühlten aus. Der Temperaturgegensatz erzeugte Extremwinde in der Höhe. Die NASA -Daten zeigten zudem, dass die Luft äußerst wasserdampfgeladen war. Die ungewöhnlichen Bedingungen hätten womöglich die Eisbrocken entstehen lassen, meinte Martínez-Frías: Der Sturm habe Eiskristalle so lange in der feuchten Luft gehalten, dass sie zu gigantischer Größe angewachsen seien.
Andere Forscher indes reagierten skeptisch: »Ich möchte nicht behaupten, dass irgendetwas absolut unmöglich ist«, erklärte etwa der Hagelexperte Charles Knight, »aber diese Theorie kommt dem doch schrecklich nahe.« Selbst nach langer Verweildauer in feuchter eisiger Luft entwickelten sich höchstens große Schneeflocken, jedoch keine Eisklötze, meinte er. Selbst Martínez-Frías zweifelt mittlerweile an seiner Theorie, seine Erklärung fällt äußerst vage aus. »Unsere Studien nach neun Jahren Forschung zeigen eindeutig, dass Mega-Cryo-Meteore atmosphärische Extremereignisse sind«, resümiert der Geologe. Genaueres weiß man nicht. Die Ratlosigkeit der Wissenschaftler über die Frostklötze mündet nun oft in Ironie: »Sind sie real? Kommen sie von Gott? Ist die Klimaerwärmung schuld?«, fragt der Verfasser des Blogs megacryometeors.com . Dabei nehmen Experten die Sache äußerst ernst: Es sei nur eine Frage der Zeit, sagt Martínez-Frías, bis Menschen verletzt oder Flugzeuge getroffen würden.
Ein anderes eisiges Geheimnis beschäftigt Geoforscher im nächsten Kapitel: Auf Gewässern bilden sich kreisrunde Eisschollen, manche sind Tausende Meter groß. Russische Forscher präsentieren eine erstaunliche Erklärung für die runden Giganten.
2 Das Geheimnis der Eiskreise
»Sehr mysteriös«, notierte ein russischer Naturforscher im 19. Jahrhundert, als er die seltsamen Phänomene auf dem zugefrorenen Baikalsee begutachtete: Meterhohe weiße Schlote aus Eis erheben sich dort im Winter aus dem Gewässer. Wie sie sich bilden, ist bis heute ungeklärt. Immer wieder brechen auch tiefe Risse in die eisige Seeoberfläche, als ob Wellen das Eis spalten würden – Wasser gelangt jedoch nicht nach oben. Die Klüfte schließen sich mit lautem Krachen; es klinge »wie Kanonenfeuer«, schrieb
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