Das Spiel des Saengers Historischer Roman
Präludium
Man nennt mich Hardo Lautenschläger.
Ich bin ein Minnesänger - wenn es mir nützlich erscheint. Denn ich habe auf meinen Fahrten unzählige Lieder gelernt und mannigfaltige Geschichten gehört. Schöne und schreckliche, ergreifende und erschütternde, grausige und liebliche, vor allem aber wahre und unwahre.
Und weil ich sie zu erzählen weiß, empfängt man mich gewöhnlich mit Freude, um meinem Vortrag zu lauschen.
Doch es gibt auch immer wieder Menschen, die einen Sänger wie mich mit Verachtung strafen. Sie verhöhnen mich als Gaukler und Weiberheld oder tadeln mich, mein Gefieder eitel zu spreizen. Manchen ist meine Stimme nicht gefällig genug, und anderen behagt mein Lautenspiel nicht.
Nichts von alldem stört mich jedoch.
Auch sind einigen meine Verse zu schlüpfrig, anderen sind sie zu rührselig; diese wollen Sauf- und Rauflieder, jene die der frommen Minne. Die einen verlangen Liebesgeschichten, die anderen blutrünstige Abenteuer; diese wünschen, von mysteriösen Ereignissen zu hören, jene erwarten christliche Erbauung.
Sie bekommen, was sie verlangen, und dass ich es nicht immer jedem damit recht machen kann, weiß ich auch, und auch das stört mich nicht.
Denn trotz aller Krittelei - wenn ich zu erzählen beginne, wenn die Saiten erklingen, dann habe ich sie noch immer alle in meinen Bann gezogen.
Ich singe die Lieder der hohen und der niederen Minne, die die ruhmreichen Trouvères der Vergangenheit zum Lob der hehren Damen und lieblichen Maiden gedichtet haben, und dennoch hat man mir sogar schon vorgeworfen, ich
würde die Frauen verachten und sie mit meinen Worten schmähen.
Das stört mich allerdings sehr. Denn es entspricht nicht der Wahrheit.
Ich liebe die Frauen, ich achte und verehre sie (auch wenn ich sie manchmal nicht verstehe, aber das erhöht nur ihren Reiz).
Nicht alle natürlich, denn die berechnenden, die dummdreisten und die lasterhaften unter ihnen meide ich gern - wie ich es auch bei den Männern gleichen Charakters tue. Nichtsdestotrotz hat Gott auch sie geschaffen, und wer bin ich, dass ich seine Werke bemängeln sollte!
Ich liebe die Frauen, doch nicht alle auf die gleiche Art. Denn die Minne hat viele Seiten.
Ich habe die lachende und die weinende Minne kennengelernt, die zärtliche und die wilde, die sehnsüchtige und die erfüllte. Ich habe tröstliche Liebe geschenkt, sanft und inniglich, und heiteres Necken unter den Linden gespielt.
Manche Frauen, ja, die liebe ich heißblütig und leidenschaftlich, andere hoffnungslos und verlangend, einige in stiller Traulichkeit und andere mit munterer Kameradschaft.
Aber nur einer, nur einer Einzigen gilt meine wahre Liebe.
Doch sie weiß es nicht.
Aber ihretwegen singe ich dies minniglich Lied.
Der erste Tag
O Fortuna
rasch wie Luna
wechselhaft und wandelbar,
ewig steigend
und sich neigend:
Fluch der Unrast immerdar!
Eitle Spiele,
keine Ziele,
also trügst den klaren Sinn;
Not, Entbehren,
Macht und Ehren
schwinden wie der Schnee dahin. 2
Die Ankunft des Helden
Den morgendlichen Dunst über dem Rhein durchdrang die Sonne, und ihr Licht spielte neckisch auf den kleinen Wellen der Strömung. Wir warteten auf die Fähre nach Langel, die sich an ihrer langen Kette gemächlich über den Fluss schwang.
»Ziemlich mickrig, die Burg da drüben!«, murrte Ismael neben mir.
»Wird sich zeigen. Du bist anspruchsvoll geworden, mein Junge.«
Er grinste, und drei Wäschermädchen blieben stehen, um ihn mit bewundernden Blicken anzustarren.
Ismaels Gesicht war das eines gefallenen Engels, der sich beim Aufprall auf dem irdischen Boden einen Schneidezahn angeschlagen hatte.
Dieser kleine Makel verlieh ihm einen besonderen Zauber. Seine Wangen, fast bartlos noch, waren tief gebräunt, seine Augen dunkel, sein Haar glänzte schwarz und fiel ihm glatt auf die Schultern. Die würden vielleicht mit den Jahren noch etwas breiter werden, denn er hatte eben siebzehn Lenze gesehen. Abwechslungsreiche Lenze, die ihn klüger als manchen Älteren hatten werden lassen.
Er war so etwas wie mein Diener, Begleiter, Schutzbefohlener oder vielleicht auch mein dunkler Engel. Jetzt hielt er unsere Pferde im Zaum und warf den Wäscherinnen freche Scherzworte zu.
Neben uns versammelten sich weitere Gestalten, die zum anderen Ufer übersetzen wollten. Die Fähre war groß genug, um auch Wagen und Tiere aufzunehmen, und das Entladen brauchte seine Zeit. Ein magerer Kerl mit stechenden Augen drängte sich an unseren Rössern vorbei,
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