Nachhaltig tot (German Edition)
hat, das sah professionell aus. Lassen Sie doch mal die Datei nach einem Einbrecherprofil durchsuchen“, ordnete Charlotte barsch an. „Irgendwelche Drohungen bei der Firma eingegangen?“
„Der Sicherheitsingenieur sagt Nein. Allerdings … Ich habe in einer halben Stunde noch ein Gespräch mit dem Unternehmensvorstand. Es wird ja viel über den Neubau von Stromleitungen gesprochen. Ob der Anschlag damit etwas zu tun hat, kann ich nicht sagen. Aber immerhin verlaufen hier die großen Überlandleitungen.“
„Gute Arbeit, Södermann. Sie halten mich auf dem Laufenden?“ Södermann schaute sie erstaunt an. Was war nur mit der Chefin los? Ein Lob war ihr bisher noch nicht über die Lippen gekommen.
Jannis war bester Laune. Die Geschäfte liefen gut. Besser denn je. Dieser neue Mitarbeiter, dieser Till, war ein Anlagegenie. Er warb voller Inbrunst für die erneuerbaren Energien – und mit ehrlicher Überzeugung. Manchmal kam er Jannis fast schon fanatisch vor, wenn er über den Einstieg ins solare Zeitalter fabulierte. Aber wie auch immer – Till überzeugte die Menschen wie kein anderer davon, in Fotovoltaik zu investieren. Die Veranstaltungen, bei denen er den SolarQPlus-Fonds vorstellte, waren eine Goldgrube.
Jannis hatte sich längst aus dem Veranstaltungsgeschäft zurückgezogen. Solange er selbst in großem Stil verkaufen musste, hatte er ständig unter Hochspannung gestanden. Das war nichts für ihn. Er kümmerte sich lieber um besondere Kunden. Oder besser gesagt: Kundinnen. Er hatte da seine ganz eigene Strategie … Er fand sie in teuren Möbelgeschäften, in Boutiquen oder in feinen Restaurants. Erfolgreiche Frauen ohne familiäre Bindung, die für ökologische Geldanlagen immer zu haben waren. Eine Schwäche, wie Jannis fand, die seine Stärke war.
Erst gestern hatte er wieder so eine erfolgreiche Geschäftsfrau kennengelernt. Führungspositionen schätzte er. Alleinstehend. Sicher ein gut gefülltes Bankkonto. Passte genau in sein Konzept. Vielleicht könnte sie seine letzte Kundin werden? Nötig hatte er es längst nicht mehr. Er konnte es sportlich sehen und mit ihr den ganz großen Deal abschließen.
Jannis war seit einigen Jahren im Anlagegeschäft tätig. SolarQPlus war seine Erfindung. Ebenso wie die Projekte und Fotovoltaikanlagen, die der Fonds mitfinanzierte. Weil durch Tills Verkaufstalent die Umsätze immer weiter in die Höhe kletterten, musste er sich Mühe geben, Schritt zu halten und immer neue Projekte vorzulegen, in die SolarQPlus investierte. Sogar eine Beteiligung am Wüstenprojekt Desertec hatte er sich ausgedacht. Der Fonds wuchs und wuchs, ebenso seine Konten in Liechtenstein, Gibraltar und auf den Cayman Islands.
Die letzte Kundin hieß also Charlotte. Ein bisschen ärgerte er sich jetzt, dass er sich keine Telefonnummer von dem Rotschopf aufgeschrieben hatte. Seine Strategie: nie die Initiative ergreifen. Frauen in solchen Positionen übernahmen das gerne selbst. Nur bei Charlotte war sein Konzept nicht aufgegangen.
Er suchte auf Facebook. Ergebnislos. Sie hatte ihm weder ihren Beruf noch ihren Nachnamen verraten. Ehrensache, dass er nicht danach fragte. Doch eine Woche bis zur nächsten Verabredung? Das war eindeutig zu lang. Anscheinend hatte er gestern Abend nicht mehr alle Sinne beisammengehabt. So viel Zeit hatte er nicht mehr.
In zwei Wochen ging sein Flug auf die Cayman Islands, dann würde er den Laden dichtmachen und die Bombe platzen lassen. Jannis griff zum Telefonhörer und rief im Möbelgeschäft an, in dem er Charlotte gestern getroffen hatte. Er gab sich als der Lebensgefährte aus, schnell erfuhr er ihre Adresse und den Nachnamen. Sie würde ganz schön staunen.
Um die Mittagszeit fiel Klaus Södermann in einen biologischen Tiefpunkt. Die Augenlider waren schwer, nur mühsam konnte er sich konzentrieren. Um nicht einzuschlafen, ging er auf den Flur zum Kaffeeautomaten und zog sich einen doppelten Espresso. Dort kam ihm der Kollege entgegen, der die Einbruch-Datei durchforstet hatte. Extrem schlanker Mann, vermutlich jung und ein überaus geschickter Einbrecher – so hatten sie die Suche definiert.
„Ich hab’ was“, sagte er und hielt Södermann drei verschiedene Profile unter die Nase. Södermanns Lebensgeister waren sofort wieder da. Ganz ohne Espresso. Er griff sich das Papier und gemeinsam überflogen sie die Datensätze.
„Am besten du überprüfst mal die Alibis. Einfach einbestellen – das erscheint mir noch übertrieben“, sagte
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